Gemma Ray

“Psychogeology“

Ein neues Album von Gemma Ray ist immer ein ganz besonderes Vergnügen – die aus Essex stammende Wahlberlinerin variiert ihren Gitarrensound stets so, dass frau sie zwar sofort wiedererkennt, gleichzeitig aber die Veränderungen bemerkt, die jede Platte Rays so außergewöhnlich machen. Auch bei ihrer achten Platte „Psychogeology“, die sie in den Berliner Candy Bomber-Studios aufnahm, sucht Gemma neue Wege, die von poppigen Hooks über Streicherarrangements, Film-noir-Referenzen bis zu Sixties-inspirierten Girlgroup-Gesängen reichen, in denen sie ihre eigene Stimme sampelt und schichtet, bis ein ganzer Gemma-Chor zu hören ist. Der Sound ist luftig, durchlässig, dabei ungeheuer abwechslungsreich mit viel Liebe zum Detail. „Psychogeology“ sei ihr persönlichstes Album bisher, was sich gleich im Opener bemerkbar macht: „Blossom Crawls“ handelt von einer Panikattacke im Taxi, sie bittet den Fahrer, mit ihr zu reden, damit sie nicht die Fassung verliert. Dass sie für dieses Stück eine ausgesprochen positive, schwelgerische Stimmung wählt – ebenso wie für „In Colour“, das ein vertonter Brief an ihre sterbende Großmutter ist -, unterstreicht Gemma Rays Ansatz, ihre Hörer*innen immer wieder aufs Neue (heraus-)fordern zu wollen, nicht auf Gewohntem zu beharren. Trotz aller persönlicher Bezüge sollte „Psychogeology“ aber kein musikgewordenes Tagebuch werden, vielmehr ein Zeiten und Moden überdauerndes, einzigartiges Werk wie „Pet Sounds“ von den Beach Boys, so Gemma. Dazu passt, dass sie auf der Suche nach neuen aufregenden Klängen begann, die Saiten ihrer Gitarre mit einem Küchenmesser zu traktieren – und überhaupt fast alle Instrumente selbst spielt außer Schlagzeug, das auf sehr einfühlsame Weise von ihrem Lebens- und Musikgefährten Andy Zammit bearbeitet wird. „Psychogeology“ ist ein früher Höhepunkt des noch jungen Jahres, auf dem jeder Song für sich alleine stehen kann – und als Ganzes glamourös funkelt und strahlt.

CD, 2019, 10 Tracks, Label: Bronzerat

Christina Mohr

20.02.2019