Kumbia Queers

“Pecados Tropicales“

Die Cumbia, ein ursprünglich aus Kolumbien stammender Paartanz, erfreut sich seit den frühen 1990er Jahren in ganz Lateinamerika schier unfassbarer Beliebtheit. Aber wie es immer so ist: wenn etwas von ganz vielen Leuten ganz furchtbar toll gefunden wird, wird es oft ganz furchtbar. So auch die rhythmische Cumbia, die von der argentinischen queer-feministischen Punkband Kumbia Queers lange Zeit rigoros abgelehnt wurde: „Wir hielten die Cumbia für ein Herrschaftsinstrument, das uns in unserer Dummheit gefangen halten sollte“, sagt Kumbia Queers-Sängerin Ali Gua Gua, die aber irgendwann auf die Idee kam, das vermeintliche Herrschaftsinstrument mit einer gehörigen Portion Punkethos ironisch aufzumöbeln und mit ihren Bandkolleginnen Pila Zombie, Pat Combat, Juana Chang und Flor Lineyra Hits von Madonna, The Cure oder Nancy Sinatra im typischen Kumbia Queers-Sound zu covern. Ihr neues Album „Pecados Tropicales“, das beim Wiener Elektrolabel comfortzone erscheint, kommt ohne Coverversionen aus: in fünfzehn irre energiegeladenen Tracks vermischen die Queers Cumbia Villera (Slum-Cumbia: Ghetto-Spielart mit expliziten, gesellschaftskritischen Texten, vergleichbar mit HipHop und Rap) mit Punk, Rock, Reggae und viel Humor – und klingen zum Glück an keiner Stelle so anbiedernd albern wie z.B. Gogol Bordello, die ja auch traditionelle Folklore mit Punk mixen. Ali Gua Gua und ihre Freundinnen haben nämlich bei aller Partystimmung echte, ernste Anliegen wie z.B. die Etablierung feministischer und queerer Lebensweisen, Gleichberechtigung homosexueller Partnerschaften, das Recht auf Abtreibung und selbstbestimmte Mutterschaft – in Lateinamerika alles keine Selbstverständlichkeiten. Wer ein bisschen spanisch kann, wird die Texte von „Patricia“, „Metamorfosis Adolescente“ und „Pare de Sufrir“ schon verstehen – alle anderen sollten vorm Kumbia-Cumbia-Abtanzen ins Wörterbuch schauen!

CD, 2012, 15 Tracks, Label: comfortzone

Christina Mohr

17.09.2012