Natalie Greffel

“Para Todos“

Was genau ist eigentlich Identität? Welche Rolle spielen dabei persönliche und kollektive Erfahrungen? Und wie findet frau den eigenen (musikalischen) Platz in der Welt? Auf ihrem Debütalbum „Para Todos“ lässt uns Natalie Greffel ganz ungezwungen an ihrer persönlichen und künstlerischen Entwicklung teilhaben. Geboren in Mosambik und aufgewachsen in Dänemark, zog es Greffel schon bald nach Berlin, wo sie 2018 ihre Bachelorprüfung in den Fächern Jazz-Gesang und E-Bass ablegte. Seit ihrer Studienzeit betätigt sich die mit bereits mehreren Preisen und Stipendien ausgezeichnete Künstlerin nicht nur als Gesangslehrerin, sondern tritt auch regelmäßig solistisch und in diversen Band-Formationen auf. Um ihrem zunehmenden Interesse an afrobrasilianischer Musik nachzugehen, verbrachte Greffel im Rahmen ihres Studiums ein Semester in Brasilien, wo sie sich nicht nur mit dessen kulturellen Verflechtungen zu Mosambik und den Erfahrungen der afrikanischen Diaspora, sondern auch mit den musikalischen und kulturellen Dimensionen von Samba, brasilianischem Karneval und Candomblé-Religion auseinandersetzte. „Para Todos is in essence a journal of learning and growing, a tribute to forgotten stories and untold tales, an act of remembering, and an exercise in connecting fragmented personal  histories“, erklärt die auch an verschiedenen Schlag-, Percussions- und Tasteninstrumenten aktive Musikerin auf ihrer Bandcamp-Homepage. Mit ihrer kreativen Verarbeitung afrobrasilianischer Musiktraditionen entwirft Greffel, unterstützt durch ihre Band, ein individuelles und lebendiges Bild kultureller Zugehörigkeit. Während das rhythmische „Não Sabia Nem Começar“ mit einem bunten Zusammenspiel aus Gitarren, Percussion, Rhodes-Piano und leichtfüßigem Gesang überzeugt, bezaubert das ruhige „Ficaria Mais Feliz“ mit einer von weichen Gesangslinien, zarten Percussionsgeräuschen und flächigen Piano-Sounds geprägten Klangkulisse. Manche Stücke verändern ihren Charakter auch im Verlauf der jeweiligen Performance. So kommt das zunächst pulsierende „Toquei“ im Mittelteil zu einem weitgehenden Stillstand, der nur noch durch das reizvolle Plätschern der Water-Percussion unterbrochen wird. Das titelgebende Stück „Para Todos (Stuttgart)“ scheint nach seinem sphärischen Anfang regelrecht auf eine durch verzerrte Gitarren und rasante Drums erzeugte Klangexplosion zuzulaufen. Fazit: Ein tolles, innovatives Album, dessen Nachfolger auch gerne ein paar mehr Stücke umfassen darf!

CD, 2020, 7 Tracks, Label: Agogo Records

Stefanie Zimmermann

06.08.2020