Nina Hagen

“Original Album Classics“

Nina Hagen ist im kollektiven Gedächtnis so sehr als durchgeknallte UFO-Expertin, schrille Esoterikerin und öffentlich masturbierende Punk-Sirene verankert, dass ihre musikalischen Verdienste darüber glatt in Vergessenheit geraten. Um es gleich vorweg zu nehmen: nicht alle Veröffentlichungen Nina Hagens sind gut, einige sogar ziemlich schlimm; und ihre eindrucksvollsten Performances finden heute eher TV-Castingshows als bei Konzerten statt. Aber um auch das nicht zu verschweigen: Nina Hagen besitzt eine umwerfende Mehroktaven-Stimme, für die Punk und Pop als Spielwiese einfach zu klein sind. Als 1978 ihr Debütalbum erschien, war Hagen kurz zuvor der DDR entflohen, hatte in London gelebt und importierte ihre Version von Punk in die BRD: grell geschminkt und mit exaltiertem Gesang brachte sie bis dato Ungehört-Unerhörtes dar – sie sang/schrie/jodelte über Abtreibung, Männeraufreißen, Einsamkeit im Alter, Drogen und Fernseh-Abhängigkeit. Die Musik dazu war allerdings kein Punk, sondern 1970er-Altherrenrock, der nicht zu Hagen passte. Ihre Begleitmusiker wie Manne Praeker verließen die Nina Hagen Band daher auch bald im Streit, um Spliff zu gründen. In den `80ern wurde ihr Deutschland zu eng, Nina Hagen zog nach New York, experimentierte mit Funk, Rap, Reggae und Disco und machte mit „Nunsexmonkrock“ und „Fearless“ richtig tolle Platten – die man sich jetzt dank Sony Musics „Original Album Classics“ mal wieder genauer anhören kann. Im 3-CD-Box-Set fehlt zwar Ninas zweites Album „Unbehagen“, aber das steht bei musikinteressierten Feministinnen ohnehin im Regal.

3 CD-Box-Set, 2012, 11 + 10 + 10 Tracks, Label: Columbia/Sony

Christina Mohr

15.02.2012