Emily Jane White

“Ode To Sentience“

Kontemplation. Innerlichkeit. Stille und Einkehr. Diese Begriffe kommen einem bei Emily Jane Whites drittem Album „Ode to Sentience“ in den Sinn. Dass die kalifornische Singer-/Songwriterin ihre Laufbahn in Punk- und Metalbands begann, mag man angesichts der gefühlvollen Dark Folk-Balladen kaum glauben. Auf „Ode to Sentience“ handelt Emily die ganz großen Themen ab: Liebe, Glaube, Hoffnung, Leben, Tod. „I don´t write happy songs“, sagte sie in einem Interview, und tatsächlich wird man fröhliche Texte in ihren Songs vergeblich suchen. Ihren Hang zur Melancholie erklärt sie mit ihrer Jugend in Fort Bragg, einem verlassenen Städtchen in der Nähe von San Francisco. „Fort Bragg lehrt dich, dass du leben wirst – aber auch, dass du irgendwann unweigerlich stirbst.“ Eine einfache Wahrheit, die sie auf faszinierende Weise künstlerisch verarbeitet. Emily spielt hauptsächlich Akustikgitarre und singt, auf dem Album wird sie von einer Handvoll Musiker unterstützt, die sie mit Cello, Geige und behutsamem Schlagzeug begleiten. Ähnlich wie beim Duo Azure Ray entstehen bei Emily Jane White Intensität und Intimität durch Reduktion, der Kontrast von gefühlvoller Musik und schwermütigen Texten betört und verstört. Americana wie Folk, Country und Blues sind der Boden, aus dem Whites zarte Balladen wachsen. Dramatik und Tiefe entstehen oft aus einem einzigen Ton, bei „The Law“ zum Beispiel ist nicht viel mehr als eine eindringlich gespielte Klaviernote zu hören. „I Lay to Rest (California)“ dominieren Streicher und Emilys klarer Sopran. Was Emily Jane White von anderen Dark Folk- und Alternative Country-Musikerinnen unterscheidet, ist ihr großes Talent für Melodien: Songs wie „The Cliff“, „The Preacher“ und „Requiem Waltz“ mögen tieftraurig sein. Und doch pfeift man sie beim ersten Hören mit.

CD, 2010, 10 Tracks, Label: Talitres

Christina Mohr

09.11.2010