Cold Specks
“Neuroplasticity“
Neuronale Plastizität bezeichnet die Fähigkeit der Hirnzellen und –synapsen, sich veränderten Bedingungen anzupassen. Dass die kanadische Singer-/Songwriterin Al Spx alias Cold Specks ihr zweites Album (nach „I Predict A Graceful Expulsion“ von 2011) „Neuroplasticity“ genannt hat, kann man als Kommentar zur heutzutage stets vorausgesetzten Flexibilität des Menschen auf jegliche Situationen lesen. Man kann sich aber auch unvoreingenommen in Cold Specks‘ dunkle Folk-Blues-Unterwelt begeben und abwarten, was so passiert mit dem Selbst… Die (Akustik-)Gitarristin und Sängerin erschafft eine abgründige, existenzialistische Stimmung, irgendwo zwischen Nina Simone und Nick Cave, Mirel Wagner und den Swans, dessen Mastermind Michael Gira im Background von „Exit Plan“ auftaucht. „Wedged between the hours / A deadening silence / All I got is loving grace“, heißt es in diesem Song, der so beklemmend ist wie vieles auf diesem Album. Und doch: In der Düsternis und Einsamkeit schimmert so etwas wie Hoffnung durch, Specks‘ soulfulle, vibrierende Reibeisenstimme ist die Brücke ins Licht. Musikalisch ist Cold Specks weniger spartanisch eingestellt als die bereits erwähnte Mirel Wagner: spröder Blues bildet zwar auch bei „Neuroplasticity“ den Mutterboden, Cold Specks holt mit Trompeten, Piano, Synthies und Orgel noch mehr dunkle Klangfarben dazu. Ihre Auftritte in spektakulären Kostümen komplettieren das Gesamtbild – ein burlesker Hades, schauen Sie mal, ob Ihr Hirn das zusammenbekommt.
CD, 2014, 10 Tracks, Label: Mute Artists
Christina Mohr07.09.2014