LoneLady

“Nerve Up“

Man darf ja durchaus skeptisch sein, wenn einschlägige Musikmagazine mal wieder den neuen (weiblichen) Hype aus Großbritannien verkünden. Was ist zum Beispiel aus der in 2009 so euphorisch abgefeierten Victoria Hesketh a.k.a. Little Boots geworden? Auch die nicht minder gehypte La Roux ist längst nicht so populär wie Lady Gaga aus Amerika. Der neuesten Entdeckung des geschmackssicheren Labels Warp ist zu wünschen, mehr als nur eine Zeitschriftenausgabe lang interessant zu sein: Julie Campbell alias LoneLady hat mit „Nerve Up“ ein Debütalbum veröffentlicht, das aus der Zeit gefallen scheint, das trotz (oder gerade wegen) klarer 80er-Jahre-Referenzen eine Lieblingsplatte für die Ewigkeit sein kann. Vorausgesetzt, man hat ein Faible für melancholisch-distanzierten, dabei emotionalen Elektro-Postpunk-Wave im Geiste von Anne Clark, A Certain Ratio, Joy Division und New Order. Wie die letztgenannten stammt auch Campbell aus Manchester und das ist nicht ganz unwichtig. Sie schickt ihre Kunstfigur LoneLady durch die musikalischen Trümmer der verfallenden Industriestadt und ja, ihre Stücke leben auch von den Bildern, die man von Manchester im Kopf hat, inklusive schwarz-weiß-grauer Plattencover. Aber nicht nur: LoneLadys Songs sind minimalistisch und punktgenau arrangiert, pulsierende Funk-Wave-Beats puckern zu eleganten, eingängigen Synthie-Melodien, manchmal besteht der Beat nur aus knallenden Handclaps, dazu diese „mitten ins Leben schneidenden Gitarren“, wie Musikjournalist Paul Morley schreibt. In den Lyrics Einsamkeit wie in „Army“ und „Marble“. Kein Ton zuviel, keiner zuwenig – und Julie Campbells Stimme, die locker einige Oktaven umfasst, damit aber nicht hausieren geht. Wie gut sie ist, zeigt sie quasi nebenbei in der nackten, mit Geigen unterlegten Ballade „Fear No More“ und dem vergleichsweise fröhlichen „Cattle Tears“.

Zu LoneLadys Musik kann man heulen, tanzen und beides am besten gleichzeitig – wie zu Joy Divisons unsterblichem Hit „Love Will Tear Us Apart“. Womit wir dann doch wieder in Manchester wären.

CD, 2010, 10 Tracks, Label: Warp

Christina Mohr

03.03.2010