Lia Pale

“My Poet’s Love“

Die österreichische Jazzsängerin Lia Pale stellt mit „My Poet’s Love“ ihr zweites Album vor. Nach ihrem Debüt, einer Jazzversion von Schuberts „Winterreise“, hat sie dabei erneut mit dem einstigen Vienna-Art-Orchester-Mastermind Mathias Rüegg zusammengearbeitet, der die Songs komponiert und arrangiert hat. Auf „My Poet’s Love“ haben sich die beiden von Rainer Maria Rilke’s und Heinrich Heine’s Dichtkunst inspirieren lassen und stellen sie in zwei Kapiteln einander gegenüber. Das erste Chapter ist Heinrich Heine (1797-1856) gewidmet und enthält Gedichte, die sich vor allem mit den Unglücken der Liebe befassen. So singt Pale vor allem von verschmähter Liebe: im ausdrucksstarken „All Those Tears I Drank“ vergiftet ein „Unglücksweib“ des Dichter‘s Tränen und in „Diamonds & Pearls“ quälen ihn schöne Augen; ein anderes Mal ist er ein Narr, der bereits zum zweiten Mal ohne Gegenliebe liebt. Den zweiten Teil nehmen Gedichte von Rainer Maria Rilke (1875-1926) ein. „Es ist die Kraft einzelner Sätze, die mich im Innersten berühren“, schwärmt Lia Pale über Rilkes Kunst. Entsprechend tiefgründiger und kryptischer ist dieser zweite Teil geraten, es geht um Einsamkeit, Vergänglichkeit, des Dichters Innenleben. Pale hat die Gedichte ins Englische übersetzt, um sich damit selbst mehr Freiheit zu geben, wie sie im Interview schildert. „My Poet’s Love“ ist ein stimmiges Jazzalbum geworden, das großartigen „Vocal Jazz at its best“, wunderbare Trompetensoli und tolle Einfälle bietet. Mich persönlich lässt es jedoch mit einem heimlichen Wunsch zurück: wie klängen diese augenzwinkernden und sprachgewaltigen Gedichte, wenn sie nicht ins Englische übersetzt, sondern im Original von Pale/Rüegg vertont würden?

MELODIVA CD Tipp April 2015

CD, 2015, 16 Tracks, Label: Universal

Mane Stelzer

17.05.2015