Ensemble Fisfüz

“Mozart im Morgenland“

Mozart-Verfremdungen gibt es viele. Erstens, weil Mozart viele eingängige und wunderschöne Melodien erfunden hat und zweitens, weil der Komponist mit seiner schillernden Wunderkind-Biografie der künstlerischen Phantasie genügend Potenzial bietet. Eine schillernde Verfremdung ist dem Dancefloor Destruction Crew gelungen, die Mozarts Ohrwürmer mit Breakdance virtuos darstellt. Oder der Musikkabarettist Armin Fischer, der Mozart-Melodien mittels Handy-Tönen vom Publikum nachspielen lässt. Letztes Jahr fand in Oxforshire die Inszenierung der Mozart-Oper „Die Entführung aus dem Serail“ statt, die für Furore sorgte. Da wurde die Figur des Bösewichtes Bassa Selim bewusst angelehnt an den Multimilliardär Roman Abramowitsch, des Präsidenten des Fußballclubs FC Chelsea. Kurios war auch die Gruppe von Aerobic-Tänzerinnen, die im Workout-Dress auftraten, als „Connie“ (alias „Konstanze“) auf dem elektrischen Stuhl ihrem Ende entgegensehen sollte. Und so weiter.
Die „Entführung aus dem Serail“ war auch der musikalische Ausgangspunkt des ensemble Fisfüz für ihr neues Album. Das preisgekrönte Weltmusikensemble spielt seit 1995 „oriental Jazz“ und hat sich mit der Verschmelzung von Musik aus dem Okzident und Orient einen Namen gemacht. Nun legt das Ensemble mit ihrem neuen Album ebenfalls eine Mozart-Verfremdung vor. Für diese Verfremdung entwickelten die Musiker Annette Maye (Klarinette/Bassklarinette), Murat Coşkun (Rahmentrommel, Perkussion) und Gürkan Balkan (Ud, Gitarre, Gesang) folgende, fiktive Idee: Mozart erhält den Auftrag, ein deutsches Singspiel mit orientalischer Handlung zu komponieren. Dafür muss er sich musikalisch inspirieren lassen und reist deshalb nach Istanbul, um dort zwei Musiker vom Hofe des Sultans nach Wien entführen zu lassen. Mozart bringt sie mit einer preußischen Klarinettistin zusammen und gemeinsam liefert das Trio in den folgenden Monaten den „musikalischen Stoff aus dem Morgenland“. Die Entstehungsgeschichte der Oper mit dem Ensemble selbst zu verschmelzen ist hinreißend. Das Album enthält bekannte Melodien aus der „Entführung“ wie die Ouvertüre, die mit den Instrumenten der MusikerInnen in ein neues Klangbild gegossen wurden. Darüber hinaus gibt es auch „echte“ orientalische Musik zu hören, wie das bekannte, volkstümliche Stück „Kalamıs“ des türkischen Komponisten M. N. Selçuk. Gürkan Balkan besingt darin die Schönheit Istanbuls einfühlsam und mit viel Fernweh. Sehr orientalisch ist auch die anschließende Nummer „Nikriz Peşrevi“ eines weiteren türkischen Komponisten. Ein Paradestück für die Klarinettistin Annette Maye, die darin eine spezielle osmanische Tonart virtuos interpretiert.
Die Idee zu diesem Album ist kreativ und witzig, die Umsetzung ist gelungen und macht gute Laune. Einziger Makel: Man benötigt das Booklet, um die Musik zu verstehen, da nicht alles aus der Oper stammt. Das schmälert etwas den Genuss dieser ansonsten sehr unterhaltsamen CD.

CD, 2014, 15 Tracks, Label: Pianissimo Musik

Sandra Müller-Berg

16.06.2014