Sophie Hunger
“Molecules“
„Molecules“ ist schon der sechste Longplayer der Musikerin Sophie Hunger und dass sie nicht mehr zu den „best gehüteten Musikgeheimnissen der Schweiz“ gehört, wird klar, sobald man sich ihre Tourlist anschaut: in mehreren Städten spielt sie mit ihrer neuen Band gleich bis zu fünf Konzerte hintereinander. Wer, bitte schön, bekommt diese Hallen alle voll? Die Hunger! In Berlin hat sie seit einiger Zeit eine Spielwiese gefunden, wo sie mit anderen zusammen „ungestört scheitern“ (Hunger) kann. Mit ihrem neuen Album geht sie soundmäßig in die Vollen. Dass sie zunehmend auch in Sachen Filmmusik mitmischt (und schon mehrere Preise gewann), ist schon bei den ersten Takten des neuen Albums zu hören. Schon der eindrucksvolle Opener haut mich um („She Makes President“), eine bittersüße Folk Noir-Perle schließt sich an, danach geht es in „There Is Still Pain Left“ um die Depression eines Partners: „Why can’t you see, you should be kissing me?“. Beim verträumten „Coucou“ wird es traurig, wenn man weiß, dass es ein Abschiedslied für zwei Kinder („Ex-Kinder“) ist, von denen sie sich im Zuge der Trennung vom Lebensgefährten auch trennen musste. Nur hier erklingen französische Zeilen, ansonsten singt Hunger auf ihrem Album auf Englisch, um sich, wie sie selbst sagt, nicht mehr hinter ihrem „seltsamen Sprachenmix elegant zu verstecken“. Eine Welt in Auflösung, voller Korruption und Ignoranz, und das eigene Leben voller persönlicher Katastrophen – das könnte düster und schwermütig werden, wird es aber aufgrund von Hungers Bildsprachlichkeit und der Hinwendung zur Elektronik nicht. “Minimal electronic folk” nennt Hunger ihren Stilmix, der weg von „birds“ und „bones“ hin zu Plutonium, Plastik und Nitroglyzerin tendiert. Und dann immer wieder hört man diese überirdisch schöne Stimme. Ganz großes Kino ohne Film.
CD, 2018, 11 Tracks, Label: Caroline International
Mane Stelzer02.10.2018