Isabel Frey
“Millenial Bundist“
Ob Musik systemrelevant ist? Darauf hätte die Musikerin Isabel Frey eine deutliche Antwort. Die gebürtige Wienerin aus einer säkularen jüdischen Familie hat Soziologie und Politikwissenschaften studiert und engagiert sich politisch in diversen sozialen Bewegungen. Beide Identitäten verbindet sie nun auf ihrem Album „Millenial Bundist“. Der Titel ist angelehnt an die Tradition des jiddischen Arbeiterbundes, der größten jiddischsprachigen sozialistischen Partei in Osteuropa. Es sind Songs, die Geschichte schrieben – traditionelle Kampflieder aus der jiddischen Arbeiter*innenbewegung, Revolutions- und Widerstandslieder aus dem 19. Jahrhundert – und Volkslieder, die sie neu interpretiert. Und obwohl sie die 16 Lieder fast nur mit ihrer Gitarre und einer sporadischen Bassklarinette präsentiert – bei „Ale Vayber megn shtimen“ (Alle Frauen dürfen wählen) aus den 20er Jahren erklingt die Vienna Klezmer Session Band als Begleitung – wird die CD nicht langweilig. Im Booklet ist die Geschichte hinter den Songs und Freys Gedanken dazu nachzulesen. Da sind bekannte Lieder wie „Dire Gelt“, „Dona Dona“ oder „Di Grine Kuzine“, das von der in die USA emigrierten Cousine erzählt, die nach vielen Jahren unter prekären Arbeitsbedingungen ihre Fröhlichkeit verloren hat. Daneben gibt es eine reiche politische Musikkultur von Russland über Polen und Belarus bis in die USA zu entdecken, die uns die Themen von damals in Erinnerung bringt, die an Brisanz nichts verloren haben: Ausbeutung, Migration, staatliche Repression und sexuelle Gewalt. Und mit dem Song „Daloy Politsey“ hat sie sich selbst in die Geschichte eingemischt, als sie damit 2019 nach dem Ibiza-Skandal auf einer Demo in Wien gegen die FPÖ aufgetreten ist.
CD, 2020, 16 Tracks, Label: Beste! Unterhaltung
Mane Stelzer26.11.2020