Imelda May

“Mayhem“

Auf den ersten Blick stimmt alles bei Imelda May und ihrer zweiten Platte: Die 36-jährige Irin ist mit einer Wahnsinnsstimme gesegnet und sieht dazu noch supercool aus, ihre Band funktioniert perfekt und spielt immer genau auf den Punkt. Und doch verfängt „Mayhem“ nicht so, wie man denken könnte. Imelda May hat sich mit Haut und Haar (buchstäblich bis in die schwungvolle Ponytolle) dem Rock’n’Roll in all seinen Spielarten verschrieben, die 15 Songs auf „Mayhem“ decken das Spektrum von Rockabilly, Blues, Country, Surf, Soul, Garagenbeat und Barjazz ab. Dazu gibt es ein paar schmachtende Balladen, also von allem etwas dabei. Aber gerade weil Miss May keinen Stil auslässt, wirkt das Album insgesamt beliebig und kalkuliert – als wolle man bloß keinen potenziellen Fan enttäuschen. Bei „Psycho“ brüllt sie sich die malträtierte Seele aus dem Leib, „Proud and Humble“ ist ein stand-by-your-man-Liebeslied, mit „Kentish Town Waltz“ trinkt Imelda mit den Jungs ein paar Schnäpse an der Bar und mit „Tainted Love“ ist eine Coverversion an Bord, die in inzwischen reichlich un-origineller Boss Hoss-Manier einen populären Hit in ein anderes Genre transformiert. Unbestritten großartig sind Imelda Mays Live-Performances und die Partytauglichkeit vieler ihrer Songs – keine Feier ohne May(er) sozusagen. Aber irgendwie hat sich die rebellische Ader des Rock’n’Roll erschöpft, mit Stehbass und Pünktchenbluse wird man kein Publikum mehr zum Stühleschmeißen animieren wie einst 1958 Bill Haley im Berliner Sportpalast. Das junge Londoner Trio Kitty, Daisy & Lewis mag eine Ausnahme darin sein, den Geist des frühen Rock’n’Roll in die Neuzeit zu übertragen – Imelda May ist leider nur eine zwar äußerst engagierte aber nur mäßig überzeugende Impersonatorin.

CD, 2011, 15 Tracks, Label: Decca

Christina Mohr

19.02.2011