Marnie Stern
“Marnie Stern“
Ein Track auf Marnie Sterns neuem Album heißt „Female Guitar Players Are the New Black“, „Transparency Is the New Mystery“ ein anderer. Die 34-jährige Ausnahmegitarristin aus New York weist völlig zu Recht auf das Schattendasein von Gitarre spielenden Frauen im Rock hin, der andere Titel wäre zu diskutieren. Kritikerlob ist ihr allerdings sicher, 2007 kürte die New York Times ihr Debütalbum „In Advance of the Broken Arm“ zum „aufregendsten Rock’n’Roll-Album des Jahres“. Mit ihrer dritten, transparent und ökonomisch „Marnie Stern“ betitelten Platte* manifestiert Marnie Stern ihren Ausnahmestatus, sogar unter Ausnahmemusikerinnen: Prog- und Noiserock, Free Jazz und irre Gitarrensoli im Stile Jimi Hendrix‘ und Eddie Van Halens treffen auf Riot Grrrl-Punkrock, College-Indiepop und Folk. Klassische Songstrukturen mit Strophen und Refrains interessieren Marnie nicht, die zehn Tracks wirken wie eine wilde Improvisationssession. Sterns außergewöhnliche Technik (fingertapping) macht ihre Musik ohnehin unverwechselbar, ihre neue Platte wollte sie noch „lauter und intensiver“ – Producer Lars Stalfors (Mars Volta) erfüllte ihr diesen Wunsch. In Stücken wie „Building a Body“ und „For Ash“ verschränkt sich punkige „so what!“-Attitüde mit jazziger Komplexität, aber auch Harmonie und Entspannung haben ihren Platz bei Marnie Stern. Wer noch nie etwas von ihr gehört hat, sollte sich auf ein geräuschintensives (vermeintliches) Chaos á la Broken Social Scene mit mehr Energie einstellen – nur dass Marnie Stern zu keinem kuschligen Musikantenkollektiv gehört. Im Studio wird sie zwar von einem Bassisten und einem Drummer unterstützt, aber im Grunde dreht Marnie ihr Ding alleine. Fast im Vorbeigehen möchte man noch ergänzen, dass auch ihre Texte mehr als bemerkenswert sind (z.B. „Her Confidence“). Beeindruckende Frau, definitiv keine Poserin.
* der Vorgänger trug den griffigen Titel „This Is It And I Am It And You Are It And So Is That And He Is It And She Is It And It Is It And That Is That“ (2008)
CD, 2010, 10 Tracks, Label: Souterrain Transmissions
Christina Mohr16.11.2010