V.A.
“Lullabies From The Axis of Evil“
„Schlaf, mein Sohn, mein süßes Kind, wie eine leichte Sommerbrise singe ich deinen Namen, hab’ keine Angst. Schlaf, mein Sohn, sicher wie Tränenströme, die sich in den Wellen verlieren.“ Diese Zeilen kommen aus dem Irak, aus einem Mitgliedsland der „Achse des Bösen“. Jenes ominöse Schlagwort von der „Achse“, das Georg Bush mit seiner Rede zur Lage der Nation im Januar 2002 in die Welt setzte. Es warf uns in die politischen Denkmuster aus finsterer Vergangenheit zurück. Wiegenlieder können der Beginn der Kommunikation für das Leben eines jeden Menschen sein. Ein universelles Vokabular, ob im Orient oder Okzident und eingängige Melodien können zu ähnlichen Wirkungen führen. Um diese Klänge einzufangen, begab sich der renommierte norwegische Produzent Erik Hillestad (Kirkelig Kulturverksted) auf eine abenteuerliche Reise. Er überschritt eben jene Feindeslinien, die die Bush-Administration ausgerufen hatte. Im Irak, Iran, in Afghanistan und Nordkorea, des weiteren in Syrien, Palästina und Kuba machte er sich auf die Suche – nicht nach Waffen oder Terroristen, sondern nach Frauenstimmen. Da ist die Musikerin Lila Downs, derzeit prominenteste Kämpferin in der Weltmusik-Szene für die indianische Kultur, die sich auf die fragilen afghanischen Feldaufnahmen einlässt. Mit nordischer Noblesse geht Norwegens neuer internationaler Star Kari Bremnes auf die Melodie ihrer palästinensischen Partnerin ein. Starke mütterliche Bande entspinnen sich zwischen niemand geringerem als unserer Nina Hagen und der Kubanerin Martha Loreno. Weitere Dialoge folgen. Die technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts lassen es zu, dass in den jeweiligen Ländern und daher in den unterschiedlichsten Tonstudios die Aufnahmen geschahen. Vermutlich haben sich die meisten Musikerinnen gar nicht gesehen, gehört wohl doch eher. Leider ist das Leben solcher Art von Sampler (ein Mix aus Pop und Weltmusik) doch häufig sehr kurz, weil sich der Hörer äußerst geballt auf sehr viel unterschiedliche Musikenergie und Stimmeigenschaften (auf dieser CD sind 14 Songs und 26 Sängerinnen) umstellen und einstellen muss, bedarf es großer Aufmerksamkeit und Anstrengung diese CD zu hören und nachzufühlen. Dieser Anstrengung wird der Hörer nicht allzuoft nachkommen. Doch ich finde, dass bei dieser Produktion die Idee im Vordergrund steht und kann als eine Art Mahnmal gesehen werden. Trotzdem sollte die CD und ihre Musik nicht einfach so im Plattenschrank verschwinden.
CD, 2004, 14 Tracks, Label: Nuzzcom
Anita Rahm22.12.2004