Mary Gauthier

“Live at Blue Rock“

The dark side of Country – so könnte man die Musik der 50-jährigen amerikanischen Singer/Songwriterin bezeichnen, und es sind weder strahlende Gewinner noch Hurra-Patrioten, die ihren Südstaaten-Kosmos bevölkern. Die dunkle Kehrseite des amerikanischen Traums kennt sie sehr gut, brannte sie doch mit 15 Jahren ihren Adoptiveltern durch, um mit Leuten zusammen zu sein, die sie und ihre Sexualität akzeptieren konnten – nachzuhören bei „Drag Queens In Limousines“. Die Unangepassten, die in Abbruchhäusern leben, Trinker, Drogensüchtige bildeten fortan ihre Familie, und nicht selten landete sie in Fürsorgeheimen oder im Gefängnis. Erst spät kam sie zur Musik und ist seit über 20 Jahren „trocken“. Nach etlichen Studioalben bringt sie nun eine Live-CD heraus, mit 12 sparsam instrumentierten Song-Perlen, ihre dunkelspröde Stimme wird nur von Akustikgitarre, Harp, Fiddle und etwas Percussion begleitet. Lakonisch werden Kurzgeschichten erzählt: von ihrer Heimatstadt in Louisiana, wo die Luft im Winter schwarz und vergiftet ist durch das Abbrennen des Zuckerrohrs, das aber der ganzen Region Arbeit verschafft („Sugar Cane“). Oder der Heimfahrt von einer Hochzeitsfeier, die anscheinend alles andere als ein Happy End war („Your Sister Cried“). Für mich am Berührendsten: „The Rocket“. Ein alter Mann, Veteran des 2. Weltkriegs, kommt jeden Sonntag auf den Bahnsteig, um die Züge zu beobachten. Er kennt sie alle, aber Nummer 29, The Rocket, ist der Traurigste. Warum? Vor 40 Jahren fuhr sein Sohn damit davon – auf Nimmerwiedersehen, in den Vietnamkrieg… Als weiblicher Townes van Zandt wurde Mary Gaulthier bezeichnet – wohl wahr. Country noir at its best.

CD, 2012, 12 Tracks, Label: Proper Records

Fee Kuhn

09.12.2012