Marissa Nadler
“Little Hells“
An jungen Folkmusikerinnen wie Alela Diane, Nina Nastasia oder Joanna Newsom scheiden sich die Geister. Ihre Fans sind vom entrückten Auftreten und den engelsgleichen Stimmen verzaubert; Kritiker beklagen Weltfremdheit und Eskapismus. Das ist bei der 27-jährigen Marissa Nadler, als Tochter einer Malerin in Washington geboren, nicht anders. Sie wird für ihre märchenhaften, teilweise ins Unheimliche umschlagenden Dream Folk-Balladen gefeiert, doch ebenso regt sich Unmut über ihre versponnenen, fast immer in einer fernen Vergangenheit angesiedelten Moritaten über tote Schriftstellerinnen, Seeräuber und Cowboys. Ihr neues Album „Little Hells“ ist zumindest musikalisch mutiger und abwechslungsreicher als frühere Veröffentlichungen: der Titeltrack und „Loner“ spielen mit Country- und Westernelementen, unter Marissas zarter Stimme liegt viel Hall und Echo, womit schaurig-schöne Effekte erzielt werden. „Mary Comes Alive“ ist energiegeladener Gitarrenpop mit expressiven Drums, die Ballade „River of Dirt“ hat eine tränentreibend-melancholische Melodie, in „Heart Paper Lover“ erklingt ein wehklagendes Theremin. Cohen-Fan Nadler selbst spielt akustische Gitarre und ein Wurlitzer-E-Piano, dazu kommen von Gastmusikern eingesetzte Synthesizer, Banjo, Lap-Steel-Gitarren und besagtes Theremin – live tritt sie hingegen oft ohne Begleitung auf, was den intimen Charakter ihrer Songs betont und den Fokus auf ihre elfenhafte Stimme legt. Wer dem Alltagsstress entfliehen möchte und nach verträumten Melodien mit fantasievollen Lyrics sucht, wird mit Marissa Nadlers „Little Hells“ sehr glücklich werden. Wer aber von einer Künstlerin die Auseinandersetzung mit Fragen des modernen Lebens erwartet, muss sich woanders umhören.
CD, 2009, 10 Tracks, Label: Kemado
Christina Mohr28.02.2009