Imelda May

“Life Love Flesh Blood“

Es heißt ja immer, wenn Frauen was mit ihren Haaren machen, ändern sie ihr Leben – und genauso war es auch bei Imelda May, die zehn Jahre lang im stilechten, beinah comichaften 50s-Outfit inclusive Tolle gute alte Rockabilly-Zeiten hochleben ließ. 2015 ging ihre Ehe mit Gitarrist Darrel Higham in die Brüche, der nach der Scheidung auch Imelda’s Band verließ. Nach kurzer Schock- und Trauerphase beschloss die irische Sängerin, buchstäblich neue Saiten aufzuziehen, der Rockabilly-Stil in Look & Sound kam ihr ohnehin verstärkt wie ein Korsett vor – auch wenn sie betont, dass sie Rockabilly immer geliebt habe und das bis heute tut. Aber klar, irgendwann ist mal Zeit für Veränderung, und für Miss May war der Punkt erreicht, eine andere musikalischer Richtung einzuschlagen.
Nun ist es sicherlich eine Frage der Einstellung und des Geschmacks, ob man Rockabilly und Rock’n’Roll für weniger geeignet hält, die persönliche Situation als gereifte Frau und Mutter abzubilden als andere Stile – und genau betrachtet entfernt sich Imelda May mit „Life Love Flesh Blood“ gar nicht sooo weit von ihren früheren Platten. Auf dem neuen Album schwelgt Imelda in Retro-Arrangements mit Blues-, Soul-, Gospel- und Jazzelementen, Produzent T Bone Burnett lässt Imelda alle Freiheiten innerhalb eines überwiegend nostalgischen Settings. Aber was soll man sagen? Die neuen Songs sind großartig, vor allem, weil Imelda’s voluminöse Stimme noch besser zur Geltung kommt als früher. In Stücken wie „Call Me“, dem atmosphärisch aufgeladenen „Sixth Sense“ oder „Bad Habit“ zieht sie alle Register ihres Könnens, ihrer irischen Heimat setzt sie mit „The Girl I Used To Be“ ein emotionales Denkmal. Imelda’s Wunsch nach Veränderung drückt sich in höchst leidenschaftlichem Einsatz aus, was ja nicht bedeutet, dass sie nicht mehr rocken will (siehe/höre z.B. „Leave Me Lonely“). Als Gastmusiker zu diesem gelungenen Veränderungsprozess hat sie Jeff Beck und Jools Holland eingeladen, zur Band gehören nun Marc Ribot, Zach Dawes und Jay Bellerose – sieht alles sehr gut aus für Imelda, auch ihre Frisur!

CD, 2017, 11 Tracks, Label: Decca

Christina Mohr

16.07.2017