Nadine Shah
“Kitchen Sink“
Nadine Shahs viertes Album handelt von Widersprüchen – vor allem den privaten. Shahs Lyrics sind ironisch und scharfsinnig, dabei stets aus „Küchenspülen“-Perspektive, wie eine britische Redewendung ausdrückt, dass in vertrauter Umgebung alles thematisiert wird. Anders als auf der Vorgängerplatte „Holiday Destination“, die sich politischen und gesellschaftlichen Problemen widmete, geht „Kitchen Sink“ buchstäblich ans Eingemachte: In „Trad“ heißt es: „Shave my Legs / freeze my eggs / will you still want me when I’m old?“. In „Ladies for Babies (Goats for Love)“ und „Buckfast“ geht es um vernachlässigte Ehefrauen, „Club Cougar“ handelt von schmieriger Anmache. Dabei ist Shah nie gehässig oder schadenfroh – vielmehr schafft sie aus alltäglichem Sexismus und einengenden Beziehungen eine Atmosphäre dräuenden Unbehagens, in dem frau sich einerseits wiedererkennt, daraus aber auch schleunigst entkommen will, zur Not mit viel Alkohol, siehe/höre „Ukrainian Wine“. Die Songs sind dramatisch aufgebaut, erinnern in ihrer Kunstfertigkeit an Björk, aber auch an PJ Harvey. Shah kostet die Stärken ihrer voluminösen Stimme voll aus und ergänzt ihr tiefgründiges, gitarrenbetontes Songwriting mit gespenstischen Backgroundchören, Saxofon, synthetischem Pfeifen, Sirren und Klingeln – das klingt mal nach Westernsoundtrack, geht aber auch in Richtung Elektropop. Die britische Musikerin ist eine Storytellerin par excellence – nur allzu gemütlich macht sie es uns in ihrer Küche nicht.
CD, 2020, 11 Tracks, Label: BMG
Christina Mohr25.08.2020