Carmen Souza
“Kachupada“
Zwei Seelen wohnen, ach in meiner Brust! Die eine, die sagt, dass Carmen Souza wirklich sehr gut singen kann und die stimmlichen Möglichkeiten auszuschöpfen versteht wie kaum eine zweite. Eine „sichere Bank“ also für eine qualitativ gute Musik. Die andere Stimme sagt aber, dass mit dem extensiven Gebrauch des gesamten Gesangspektrums die Musik stark gekünstelt wirkt und die an für sich gute Musik letztendlich an Qualität einbüßt.
Doch nun von vorne. Carmen Souza ist in der Jazz-Szene längst keine unbekannte Größe mehr. Geboren 1981 in Lissabon, konnte Carmen Souza, deren Eltern von den Kap Verden stammen, schon als Kind erste Gesangserfahrungen machen. Dabei mischten sich schon früh in ihrem Leben verschiedene musikalische Stile: die kreolische Musik ihrer Eltern, der Fado Lissabons und die Tradition christlicher Gospelchöre. Eine schicksalhafte Begegnung sollte für sie die Bekanntschaft mit dem portugiesischen Kontrabassisten Theo Pas’cal werden, der ihr Talent entdeckte, sie förderte und seitdem auch ihre Alben produziert. In dieser Zeit widmete sie sich intensiv dem Jazz. 2003 legte sie ihr viel beachtetes Debüt-Album vor. Es folgten weitere CDs und erste Auftritte bei den großen Jazzfestivals Europas. Carmen Souzas Musik ist eine einzigartige, faszinierende Mischung verschiedener Stile. Zweifellos dominiert der Jazz, er gibt den Songs quasi ihr Gerüst. Ausgefüllt wird dieses Gerüst mit einer breiten Rhythmen-Palette, die aus dem westafrikanischen Raum stammen. Hinzu kommt das weite Spektrum ihrer stimmlichen Möglichkeiten. In Souzas neuen Album „Kachupada“ sind neben ihr weitere kongeniale Musiker wie der Bassist Theo Pas’cal oder der virtuose João Frade mit seinem Akkordeon zu hören. Das alles wäre, wie schon oben angeführt, vollkommen ausreichend, um eine wirklich außergewöhnlich gute Musik zu präsentieren. Doch leider nehmen ihre experimentellen Stimmeinlagen in den 13 Songs überhand. Gekicher, Gegacker, plötzliche Lagenwechsel und nonsense-Silben dominieren über die ansonsten brillante Stimme. Besonders auffällig ist dies in „My Favourite Things“ zu hören, das zu den Jazzstandards gehört. Mich persönlich stören diese dominierenden Gesangsmanierismen und als Hörerin habe ich das Gefühl, dass sich Carmen Souza in musikalischer Weise über ihre eigenen Lieder und Standards lustig zu machen scheint. Diejenige, die nicht in allererster Linie experimentelle Gesangseinlagen von einer Jazzsängerin erwartet, wird die Musik als befremdlich einstufen. Für diejenige, die um dieses Stimm-Spektrum weiß und es auch einkalkuliert, ist die Musik definitiv eine kleine Offenbarung.
CD, 2012, 13 Tracks, Label: Galileo Music
Sandra Müller-Berg08.10.2012