HK119

“Imaginature“

HK119 ist kein besonders griffiger Künstlerinnenname: man stellt sich vielleicht ein Synthesizermodell vor oder irgendein anderes technisches Gerät, nicht aber eine blonde, gutaussehende Finnin. Die in London lebende Multimedia-Künstlerin Heidi Kilpeläinen gibt mit ihrem Pseudonym, einem fiktiven Barcode, einen ironischen Kommentar zu unserem konsumdominierten Alltag ab – und nimmt dafür in Kauf, hinter ihrem Buchstaben-Zahlenkürzel zu verschwinden. Entdeckt wurde sie aber trotzdem, nämlich von Elektro-Avantgardistin Leila Arab, die Kilpeläinen im Jahr 2004 an Björk empfahl, die HK119 ohne Umschweife zu ihrem Lieblingsact erklärte und dafür sorgte, dass Kilpeläinens Musik auf Björks Hauslabel One Little Indian erschien. Mit „Imaginature“ bricht Heidi Kilpeläinen ihr früheres, strenges Elektronika-Konzept auf: zum ersten Mal verwendet sie Field Recordings wie Vogelzwitschern und das Summen von Insekten und propagiert bei aller Technikaffinität die Schönheit der Natur. Sie verwebt Geräusche aus dem Wald mit Maschinensounds, das Ergebnis – wirkungsvoll in Szene gesetzt von The Knife- und Fever Ray-Producer Christoffer Berg, der auch am aktuellen Album von Depeche Mode mitwirkte – nennt sie selbst schlichtweg „eine Revolution“. Tatsächlich kann man sich dem eigentümlichen Reiz, der von der Mixtur aus pfeifenden Synthies, pulsierenden, plüschdicken Beats und Amselpiepsen nicht entziehen. Tracks wie „Wild Grass“ oder das dancefloor-taugliche „Iceberg“ sind so seltsam wie großartig. Großartig ist auch Kilpeläinens Stimme, die so voluminös klingen kann wie Shirley Bassey – dieser Hauch von Soul passt, man wundert sich kaum noch, perfekt zur paradoxen Gemengelage von „Imaginature“, das fraglos eins der spannendsten Alben dieses Frühjahrs ist.

CD 2013, 11 Tracks, Label: One Little Indian

Christina Mohr

01.04.2013