Dear Reader

“Idealistic Animals“

Gut möglich, dass bei Cherilyn MacNeil alias Dear Reader der Wunsch nach klaren Bezugspunkten im Vordergrund stand, als sie für ihr neues Album „Idealistic Animals“ das Konzept ersann, jeden Song nach einem Tier zu benennen. In den vergangenen zwei Jahren ging es bei der Singer-/Songwriterin nämlich hoch her: ihr Debütalbum „Replace Why With Funny“ wurde ein Überraschungserfolg, -zig Konzerte weltweit waren zu bewältigen. 2010 verließ Cherilyn ihre Heimat Südafrika, zog von Johannesburg nach Berlin und trennte sich außerdem von ihrem Duo-Partner Darryl Torr. Kulturschock und Trennung vom musikalischen Partner müssen verarbeitet werden, Miss MacNeil erhofft sich Orientierungshilfe aus dem Tierreich: „Fox (Take Your Chances)“, „Monkey (You Can Go Home)“, „Giraffe (What´s Wrong With Us)“ oder „Whale (Boohoo)“ heißen die Songs, die jedoch keine herzigen Erbauungsfabeln sind. In ihren Lyrics thematisiert Dear Reader Sinnsuche, Selbstzweifel und –verachtung, verpackt in zeitlos schöne Folkpop-Songs. Cherilyn MacNeil singt mit Feingefühl und Inbrunst, und hat auch beim Komponieren und Arrangieren ein geschicktes Händchen für passende Akzente: hier ein gebrochener Elektrobeat, da die trashige Gitarre, dort die Kirmesorgel im Walzertakt, Drama und Opulenz beim zentralen „Man (Idealistic Animal)“ – insgesamt aber ein bisschen zu perfekt und glattpoliert, um sich festzuhaken. Kein musikalisches Erdbeben also, bei Dear Reader muss man auf die Texte achten. Aber das impliziert ja schon der Name.

CD, 2011, 16 Tracks, Label: CitySlang

Christina Mohr

25.09.2011