Doctorella

“Ich will alles von dir wissen“

Alle Zeichen auf rot: Vier Jahre nach „Drogen und Psychologen“ sind Kerstin und Sandra Grether alias Doctorella wieder da – wobei die Berliner Zwillingsschwestern in der Zwischenzeit keineswegs verschwunden waren, ganz im Gegenteil. Kerstin und Sandra sind Journalistinnen, Buchautorinnen, feministische Aktivistinnen, die sich furchtlos und streitbar zu Wort melden, wenn es beispielsweise um die Repräsentation weiblicher Bands auf Rockfestivals geht. Außerdem haben die zwei ihr eigenes Label Strawberry Bohemia gegründet, das sich vornehmlich um Künstlerinnen kümmern will.
Aber zurück zur Musik, die auf „Ich will alles von dir wissen“ um einiges knackiger, eingängiger, ausgefeilter daherkommt als auf dem Debüt. Die Grethers haben ihre Band reformiert, die neuen Mitmusiker tun dem Sound sehr gut: Schwelgerische Arrangements wie im „Heißluftballon“ oder das hämmernde Klavier bei „Testosteron, get it on!“ unterstreichen die stilistische Bandbreite Doctorellas, die laut eigener Aussage „zwischen Hildegard Knef und den Strokes“ changiert. Doctorellas große Stärke sind die Lyrics, die Bohemeleben, Liebeswirren und den alltäglichen Wahnsinn so poetisch wie kämpferisch aufs Korn nehmen: „Und wir beide wär’n sogar als Spielfilm schlecht / Weil nicht plausibel genug, nur die Gefühle sind echt“, singen sie, oder – mit Gaststar Jacqueline Blouin -, „Ich hab die Masterarbeit über mich zerrissen / so genau wollte ich es ja gar nicht wissen“. Texte für T-Shirts und genauere Exegese gleichermaßen. Stärkster Track des Albums ist „Die Ungeheuer mit den sauberen Händen“ über Leute, die ja nur das Beste für eine/n wollen: „hau einfach ab und nimm nichts an / auch wenn sie dir was schenken“ – mehr als nur ein guter Rat von Doctorella!

CD, 12 Tracks, Label: Bohemian Strawberry / ZickZack

Christina Mohr

25.10.2016