An Pierlé & White Velvet
“Hinterland“
Die 35-jährige Sängerin und Pianistin An Pierlé kommt aus Belgien – einem Land, das man kaum mit Pop in Verbindung bringt. Schmusesänger Milow ist im belgischen Löwen geboren, die martialische EBM-Formation Front 242 kommt aus Brüssel, Chansonnier Adamo ist Italo-Belgier. Ansonsten ist Belgien in Sachen Pop eher Brachland. Vielleicht haben An Pierlé und ihre Band White Velvet ihr neues Album deshalb „Hinterland“ genannt: Belgien als popkulturell schwaches Gebiet, das nur durch die Nachbarschaft zu Frankreich und den Niederlanden Form und Bedeutung erhält. Die Musik von An Pierlé & White Velvet klingt allerdings weder hinterwäldlerisch noch nach Hinterland. An’s Soloplatten und das Debüt mit White Velvet wurden hochgelobt, die Liveauftritte gelten als ganz besondere Ereignisse. Auf „Hinterland“ zieht An Pierlé alle Register ihres Könnens und präsentiert sich als unternehmungslustige Tausendsassin (oder wie sagt man zu einem weiblichen Tausensassa?), die in vielen Stilen zuhause ist. In das Konzept von White Velvet passen Country und Blues genauso wie von den Beatles inspirierter 60´s-Pop. In „Wakey Wakey“ klingen Reggaetöne an, auch Jazz (und wir meinen Jazz, keine schmusige Latte Macchiato-Loungemuzak) ist An und ihren Mitmusikern nicht fremd. An’s Stimme wird oft mit Kate Bush verglichen, was aber nur bei wenigen Titeln wirklich zutrifft. „Where Did It Come From“ ist so einer, hier singt sie Koloratur, so dramatisch wie Bush. In den anderen Songs ist An Pierlé aber ganz An Pierlé, glasklar, kraftvoll und selbstbewusst. „Hinterland“ ist anspruchsvoller Pop, der viel kann, aber nicht zu viel will. Die zehn Tracks von „Little by Little“ bis „Mean Reds“ rücken Belgien auf der Poplandkarte jedenfalls ganz nah in Richtung Zentrum!
CD, 2010, 10 Tracks, Label: Pias Recordings
Christina Mohr08.11.2010