Tegan and Sara

“Heartthrob“

Das Zeitalter des Zynismus ist vorüber – vor ein paar Jahren wäre Tegan and Saras neues Album „Heartthrob“ als ironisierendes So-tun-als-ob gewertet worden, als nicht ernst gemeinter Zitatpop, mit dem man quasi durch die Indie-Hintertür gut finden „darf“, was allenthalben als verwerflich gilt. Nämlich: emotionaler Achtzigerjahre-Breitwand-Discopop mit Synthies en masse, zwischen Starship und Tiffany, The Corrs und Wilson Phillips, „St. Elmo´s Fire“ und Madonnas „Crazy For You“. Die internetbedingte Gleichzeitig- und Verfügbarkeit aller musikalischen Stile und Epochen führt trotz berechtigter Kritik auch zu neuer, ungeahnter Freiheit – und wenn die kanadischen Zwillinge Tegan und Sara Quin ankündigten, dass dieses Album mit keinem anderen ihrer bisherigen Karriere verwechselt werden kann, treffen sie damit voll ins Schwarze. Natürlich gefallen „Heartthrob“ und die mega-catchy Single „Closer“ vielen Leuten nicht. So stark wirkt Tegan and Saras fantastisches Debüt „The Con“, mit dem die Queer-Ikonen 2007 das Singer-/Songwriter-Feld ausloteten, noch nach, dass die prefab-Drumbeats und Synthiefanfaren durchaus verunsichern können. Aber man kann auch nicht behaupten, dass das elektronifizierte „Heartthrob“ eine totale Abkehr von einem fest eingeschlagenen Weg wäre: schon seit einiger Zeit kollaborieren Tegan und Sara mit DJs wie David Guetta und Tiesto. „Heartthrob“ soll im Stadion und im Autoradio funktionieren und das wird es: unverstellt lassen sich ewiggültige Liebesschwüre mitschmettern („The first time I saw your face / I knew I was meant for you“, „Love They Say“), Schlussmachdramen nachspielen („Why do you exit go it alone when you could just talk to me?“; „Now I´m All Messed Up“) oder der Verzweiflung ob des Verschmähtwerdens freien Lauf lassen: “How come you don´t want me now? / She´s got nothing to show you“. “Heartthrob” wirkt auf beste Weise kathartisch: wenn man erstmal den selbst auferlegten Coolnesspanzer aufgebrochen hat, will man nur noch mit Tegan und Sara tanzen.

CD, 2013, 10 Tracks, Label: Warner Music

Christina Mohr

15.02.2013