Ladytron
“Gravity the Seducer“
Es ist schon ulkig: eigentlich ist man geneigt, elektronische Musik mit Synthesizern grundsätzlich (oder immer noch) für modern und neuzeitig zu halten. Andererseits hören sich viele Neuveröffentlichungen aus diesem Sektor ziemlich altmodisch und rückwärts gewandt an, „Gravity the Seducer“ zum Beispiel, fünftes Album des Liverpooler Quartetts Ladytron. Die Band (Daniel Hunt, Reuben Wu, Helen Marnie, Mira Aroyo: alle Synthie/Gesang), die sich nach einem Roxy Music-Song benannte, existiert seit 1999 und läutete mit ihrem Clubhit „Playgirl“ das Achtzigerjahre-Wavepop-Revival ein. Ladytron vermischen die unterschiedlichsten Synthiepop-Bezüge: Human League, Depeche Mode, Kraftwerk oder vergessene One-Hit-Wonder aus den Achtzigern nähren den Sound, der durch Helens und Miras hellzarten Gesang etwas Entrücktes bekommt. Die Band bezeichnet „Gravity the Seducer“ als „ihr schlüssigstes Werk im Sinne von Stimmungen und Themen“ und tatsächlich haben Ladytron mit dieser Platte zu ihrem eigenen Ausdruck gefunden: Sphärisch-flächige, filmmusikartige Synthielandschaften, sanft pluckernde Beats, moderate Gothic-Anmutungen. Zu „Age of Hz“, „Ambulances“ oder „White Elephant“ kann man gut tanzen, „Mirage“ oder „White Gold“ verführen zu romantischer Träumerei, „90 Degrees“ erinnert an Enya und bewegt sich nah am Rande des Kitschs. Ladytron haben eine treue Fangemeinde, die sich über „Gravity the Seducer“ sehr freuen wird – alle anderen werden eine gewisse Bravheit und Betulichkeit im Sound entdecken, was bei einer Platte aus dem Jahre 2011 irgendwie rührend, aber nicht gerade zukunftsweisend wirkt.
CD, 2011, 12 Tracks, Label: Nettwerk
Christina Mohr09.09.2011