Hildegunn Øiseth

Fast zwei Minuten muss der Zuhörer / die Zuhörerin auf den ersten Ton der Künstlerin des Albums warten, genau genommen vergehen 1:40 min, bis Hildegunn Øiseth die ersten Noten auf ihrem Ziegenhorn bläst. Aber das scheint ein Markenzeichen zu sein, die quirlige, äußerst kreative Trompeterin und Komponistin liebt es, ihrer Band erst viel Freiraum zum Eingrooven zu geben, bevor sie selber dazukommt. Für ihr neues Album hat sich die Norwegerin eine spektakuläre Besetzung zusammengesucht, der Pianist Espen Berg, der Bassist Magne Thormodsæter, Per Oddvar Johansen am Schlagzeug und der Gast Niels Olav Johansen an der Gitarre weben Øiseths Kompositionen zu dichten Geschichten. Und eine Geschichtenerzählerin ist die 1966 im norwegischen Kongsvinger geborene Jazztrompeterin wahrlich. Ihre Kompositionen folgen mehr Stimmungen als strengen kompositorischen Regeln, beziehen ihre Einflüsse und Klangfarben aus ihren vielen Reisen, die sie unternommen hat, um Musik in Südafrika, Pakistan oder aber auch der Samen im hohen Norden Skandinaviens zu erforschen. Zusammenspiel und aufeinander hören sind Hildegunn Øiseth wichtig, sie selbst geht mit offenen Ohren voran. Nur so können die Musiker in den neun Kompositionen zu einem Organismus verschmelzen. Einen besonderen Platz nimmt das Stück „Pups And Cups“ ein, ein Duostück mit dem Gitarristen Niels Olav Johansen, ohne kompositorische Vorgaben, ganz frei improvisiert. Ein wunderbares Zwiegespräch findet da statt. Hildegunn Øiseth ist in vielen Ensembles zu erleben, oft mit großem bis sehr großem Frauenanteil. Bei Marilyn Mazur’s Shamania ist sie ebenso dabei wie bei Sarah  Chaksads Large Ensemble (die das Album auch  mitproduziert hat). Dass es für „Garden On The Roof“ eine rein männliche Band geworden ist, ist bei diesem Ergebnis zweitrangig, musikalisch passen hier alle Parameter. Per Oddvar Johansens subtiles Schlagzeugspiel, Magne Thormodsæters Bassgrooves und vor allem Espen Bergs transparentes Klavierspiel untermalen Hildegunn Øiseths ausdrucksstarken Melodien auf Trompete und Ziegenhorn aufs Vortrefflichste.