Cécile McLorin Salvant
“For One To Love“
Sie ist eine dieser modernen Globalistinnen, deren erweiterter Erfahrungs-Horizont ihre jeweilig gewählten Kunstformen enorm bereichert. Mit frankophonen Wurzeln in Florida aufgewachsen – die Mutter Französin d’outre mer, der Vater aus Haiti – und in Frankreich Jura und Musik studiert, schwingen bei Cécile McLorin Salvant’s Gesang viele verschiedene Einflüsse mit. Ein gewisses französisches „je ne sais quoi“ trifft auf die Seele des wahrhaftigen Blues. Auf diesem ihrem dritten Album präsentiert die Sängerin eigenwillige Interpretationen von bekannten und weniger bekannten Standards neben ebenso kapriziös-ausgefallenen Eigenkompositionen. Dabei kommt ihre Stimme in einer Ton-Bandbreite zur Geltung, die Staunen hervorruft. Auf den 12 Tracks erklingt diese von mädchenhaft hell bis tiefdunkel, mal flötend und hauchend, dann wieder kraftvoll und voller Soul.
Die Jazz-Sängerin mit dem Markenzeichen übergroßer Brillen covert auf dem Album alte Jazzstandards, Songs aus Broadway-Musicals und singt fünf eigene Titel, die sich alle um das große Thema der unerfüllten Liebe drehen. Ihre Darbietung von „Something’s Coming“ aus West Side Story ist ein Schlagabtausch mit dem Klavier, sie haucht den Text, sie schreit ihn heraus, sie singt so tief, dass sie mit dem Bass verschmilzt und so hoch, dass ihre Stimme fast verschwindet. Hell und klar intoniert sie das Broadway-Musical Stück „Stepsisters‘ Lament“ während ihre Versionen von „The Trolly Song“ (Judy Garland) und „What’s The Matter Now“ (Bessie Smith) fast unbeschwert klingen, ein verspieltes Trällern, trotz des eher melancholischen Grundtons des Albums.
Ihre eigenen Songs kommen alle eher in Moll daher. Sie handeln von unerwiderter Liebe, hoffnungsloser Sehnsucht und Herz-Schmerz. „Left Over“, ein Song in dem es um das Gefühl der Unsichtbarkeit geht, klingt fast wie ein Schluchzen. Da ist dieses alles überschattende Gefühl der Verliebtheit, doch „I wonder if he even knows my name“ singt sie auf eine Weise, die vollkommene Hoffnungslosigkeit ausdrückt. Das Eröffnende „Fog“ und der letzte Track “Underling“ sind ähnlich melancholische Songs, bei denen die Sängerin ihre ganze Stimmbandbreite zum Ausdruck bringt. Kaum zu glauben, dass die Künstlerin, die nebenbei auch malt und das Cover gestaltet hat, erst 26 ist. Die Arrangements klingen so reif, so vielschichtig, und trotz mancher Verspieltheit auch irgendwie – geschliffen und sehr erfahren. Ich hatte beim Hören das Gefühl, dass da nicht mehr viel Spielraum nach oben wäre. Ihr Gesang klingt jetzt schon exzellent! Kein Wunder, hat Cécile bereits zahlreiche Jazz-Auszeichnungen und Nominierungen erhalten, darunter den prestigeträchtigen Thelonius Monk Preis 2010 für ihr Debütalbum.
CD, 2015, 12 Tracks, Label: Mack Avenue Records
Tina Adomako29.09.2015