Etta Cameron and Nikolaj Hess with Friends
“Etta“
Dies ist das letzte Album der in Dänemark lebenden Grande Dame des Gospel, Blues und Jazz aus den Bahamas. Etta Cameron verstarb im März dieses Jahres im Alter von 70 Jahren nach langjähriger Krebserkrankung. Und so ist dieses letzte Album auch ein wenig als ihr Vermächtnis zu sehen – ein Vermächtnis, das mehr als fünf Jahrzehnte Gesangserfahrung zusammenfasst.
Bereits als Jugendliche sang Etta Cameron im Gospelchor ihrer Kirche, nachdem die Familie von den Bahamas in die USA gezogen war. Als 20jährige begann Etta Cameron, die eigentlich Ärztin werden wollte, in Bars Jazz und Blues zu singen, um nach dem Tod ihrer Mutter ihre fünf Geschwister zu ernähren. So begann eine Karriere, die sie über die Jahrzehnte von den USA nach Europa, von London über einen unfreiwillig fünfjährigen Aufenthalt in Ostberlin und nach einer abenteuerlichen Flucht schließlich nach Dänemark führte, wo sie bis zu ihrem Lebensende lebte und wirkte. Etta Cameron gewann mit ihren verschiedensten Kooperationen und Formationen, unter anderem der „Etta Cameron Jazz Group“ sowie ihrem Gospelchor „The Voices of Joy“, zahllose Preise, goldene und Platin-Schallplatten und wurde 1997 von der dänischen Königin zur Ritterin des Danneborg-Ordens geschlagen. Seit 1995 unterrichtete Etta Cameron am Kopenhagener Musikkonservatorium.
Das vorliegende Album „Etta“ ist eine Sammlung von elf Jazzklassikern, mit der sich die Sängerin den Wunsch erfüllt hat, Stücke, die sie besonders berührten, neu zu interpretieren. Dabei wird sie von einer Gruppe dänischer Jazzinstrumentalisten um den Pianisten Nikolaj Hess technisch exzellent begleitet.
Der Reiz der Interpretationen erschließt sich hingegen nicht beim ersten Hören – die Arrangements kommen zunächst klassisch und wenig überraschend daher. Auch Etta Camerons dunkle, volle Stimme überzeugt sicher nicht durch ihre ungewöhnliche Wandlungsfähigkeit. Und doch verstärkt sich nach mehrmaligem Hören das Gefühl, hier nicht nur eine – wenn auch handwerklich gut gemachte – Platte mit atmosphärischem Barjazz vorliegen zu haben. Es ist Etta Camerons Lebenserfahrung und Intensität, die den altbekannten Stücken etwas Besonderes gibt. So beklemmend wie hier kommt “sometimes I feel like a motherless child” selten daher, die Doppeldeutigkeit von „you are my sunshine“ überrascht und Etta Camerons rauhe Stimme, die so ganz anders ist als Billie Holidays gebrochene oder Ella Fitzgeralds unterschwellig optimistische Interpretationen, sorgt dafür, dass „love me or leave me“ unaufdringlich, aber bestimmt seinen Platz behauptet.
Ein berührender, vielleicht sogar ein wenig wehmütiger Blick auf das spannende Leben dieser großartigen Sängerin – ein hörenswertes Vermächtnis.
CD, 2010, 11 Tracks, Label: Stunt Records
Luise Torvelainen21.06.2010