Pollyester

“Earthly Powers“

Manchmal klingen Presseinfos so vielversprechend, dass man sich kaum traut, das derart belobhudelte Album anzuhören, damit man nicht den Zauber der Verheißung zerstört. Das Duo Pollyester aus München ist so ein Fall: die männliche Hälfte Manuel da Coll ist hauptberuflich Schlagzeuger von Labrassbanda, Sängerin und Bassistin Polina Lapkovskaja spielte bei Kamerakino und Munk mit, britische Musikzeitschriften bezeichnen den Sound von Pollyester als „Cosmic-“ oder „Intelligent Disco“ und „Lindstrom on Mescalin“ und noch dazu will man in Polina aufgrund ihres dezidiert zickigen Gesangsstils die einzig wahre Nachfahrin von Les Rita Mitsoukos Catherine Ringer entdeckt haben. Könnte also so einiges schiefgehen… Aber kaum liegt „Earthly Powers“ dann doch im CD-Player, zerstreuen sich alle Bedenken sofort. Pollyester sind tatsächlich so intelligent und kosmisch, dass ihnen die obskursten Dinge gelingen, z.B. Russ Ballards unvergleichlich schmierige Achtziger-Powerballade „Voices“ in einen unvergleichlich coolen Clubtrack zu transformieren. Oder auf einen euphorisierend-hypnotischen Discohit endlos lang ausfransendes Krautgedaddel folgen zu lassen („El Silbo Gomero“ nach „Round Clocks“). Jenseits radiokompatibler Dreiminutenhäppchen – Pollyester-Tracks dauern gern mal sechs, sieben Minuten – experimentieren Polina und Manuel mit Disco, Funk, House und Psychedelik, sind dabei mal so newyorkish wie einst Konk! oder der Tom Tom Club und mal so cheesy wie Kylie Minogue. In den Songs auf „Earthly Powers“ passiert neben, unter, hinter, über oder vor der eigentlichen Hookline so viel, dass weniger raffinierte Musikanten daran nur scheitern könnten. Pollyester schaffen aber mit geschickten Zitaten aus der Popgeschichte und gekonnten Frickeleien mit Bass und Synthie die bisher extrem seltene Symbiose aus ausgelassener Partybereitschaft und avanciertem Könnertum. Als würden Arto Lindsay und die Sugababes eine gemeinsame Platte aufnehmen. Also wirklich prima.

CD, 2011, 12 Tracks, Label: Permanent Vacation

Christina Mohr

15.05.2011