Cécile McLorin Salvant

“Dreams And Daggers“

Ihr bisheriges Markenzeichen, die dicke Brille ist verschwunden. Dafür zeigt sich Cécile McLorin Salvant auf dem Cover ihres neuen Albums mit geschorenem Kopf und dick aufgetragenem Eye-Shadow. Also immer noch auffallend. Und so auffallend wie ihre Erscheinung ist auch ihr Gesang, der ihr schon zahlreiche Auszeichnungen eingebracht hat. Von Jazzgröße Wynton Marsalis wurde sie geadelt, als dieser sagte, es gäbe pro Generation nur ein bis zwei Sängerinnen ihres Kalibers. Sie wurde schon mit Größen wie Billie Holiday und Nina Simone in einem Atemzug genannt und bekam für ihr Debütalbum 2010 den prestigeträchtigen Thelonius Monk Preis. Ihr letztes Album „For One To Love“ wurde mit dem Jazz Vocal Grammy ausgezeichnet.
Schon mit ihren ersten Alben hat sie eine Reife gezeigt, dass ich bei meiner letzten Rezension schrieb: „Ich hatte beim Hören das Gefühl, dass da nicht mehr viel Spielraum nach oben ist. Ihr Gesang klingt jetzt schon exzellent!“ Das war 2015. Nun liegt das Doppel-Album „Dreams and Daggers“ vor, auf dem sie wieder Songs ausgesucht hat, mit denen sie das Thema der Liebe in all ihren Fassetten besingt. Erneut sind es Stücke aus dem Great American Songbook, zwischen die sie ihre Eigenkompositionen webt. Mit einem kurzen Intro aus eigener Feder („And Yet“) eröffnet sie ihre Reflexionen über das universelle Drama der Liebe. Danach geht es weiter mit dem bekannten Stück „Devil May Care“, das schon Frank Sinatra 1940 interpretierte. Ihre Version, herrlich jazzig mit einem swingenden Piano-Solo zwischen den Vokaleinlagen, klingt auch nach fast 80 Jahren noch immer frisch, beschwingt und aktuell. Weiter geht es mit Noël Coward’s Jazzstandard „Mad About The Boy“ aus dem Jahr 1932, den die Sängerin mit witzigen Elementen garniert und mit dem sie das Live-Publikum zum Lachen bringt. Sie zeigt die enorme Bandbreite ihrer Stimme und wechselt von mädchenhaft hoch zu geheimnisvoll tief, um die ganze Klaviatur der Gefühle zu verdeutlichen. Das Doppelalbum ist wie eine Kurzgeschichtensammlung zusammengestellt, und erzählt von den Hochs und Tiefs, den Träumen und Dolch(hieben), die die Liebe bereithält. Von trotzig positiven Songs wie „Sam Jones Blues“, das von einem Abtrünnigen erzählt, der nach einem Jahr zurückkehrt, und von der Verlassenen zu hören bekommt „You ain’t talking to Mrs. Jones, you speakin‘ to Mrs. Wilson now“ bis hin zu herzzerreißenden Stücken ganz in Moll wie “Tell Me What They’re Saying Can’t Be True”, besingt sie den ganzen Liebes-Herzschmerz.
McLorin Salvant mag zwar mit Sängerinnen vergangener Tage verglichen werden, und sich auch immer wieder alter Evergreens annehmen, doch sie bringt eine Modernität in die Songs, die das Genre des Vokaljazz jung bleiben lässt. Und im Vergleich zum letzten Album? Ich finde Cécile McLorin Salvant’s intime Artikulation und Phrasierung klingt wieder genauso erstklassig, ein Stück reifer vielleicht und ein ganzes Stück witziger. Also gab’s doch noch Luft nach oben.

Doppel-CD, 2017, 11 + 12 Tracks, Label: Mack Avenue Records

Tina Adomako

13.11.2017