Kitty Solaris

“Cold City“

Berliner Alteingesessene klagen ja oft, dass sich ihre Stadt in den letzten Jahrzehnten zum Negativen verändert hat: wie verrückt herausgeputzt, zieht sie nach wie vor Menschenmassen magisch an und was kommt dabei heraus? Horrende Mieten, Gentrifizierung und ein viel beklagter Verlust von Charme und Identität. Die Berliner Musikerin kann im wahrsten Sinn mehr als ein Lied davon singen und tut das auf ihrer neuen, sechsten Platte „Cold City“. Darauf beschreibt sie als Chronistin die Umbrüche, die sie erlebt hat, die Innenansichten einer Stadtbewohnerin, das unperfekte, dreckige Berlin. Sie nimmt uns mit auf einen coolen „Night Trip“ (glasklar mein Favorit!) oder zeigt uns, wie es sich anfühlt, als gut gelaunter „Tourist In My Own Town“ durch die Stadt zu streifen. Angeregt durch ihre Songs schwelge ich in Erinnerungen an Streifzüge durch das „alte“ Berlin vor der Wende mit seinen Graffitis, den Punkkneipen, düsteren Clubs und der rotzigen Musik, mit Iggy Pop, Velvet Underground, The Go-Betweens und Blondie im „Walkman“ (wer es nicht mehr kennt: das war ein mobiles Kassettenabspielgerät). Die Songs mit ihrem ganz eigenen rauen, aber einnehmenden Charme, mit ihren schrammeligen Gitarren und dem immer etwas zerbrechlich wirkenden Gesang wirken wie eine kleine Underground-Insel inmitten dieser geleckten Stadt, in der alle so hip sein wollen.

CD, 2019, 12 Tracks, Label: Solaris Empire

Mane Stelzer

31.03.2019