Mariem Hassan con Leyoad
“Cantos de las Mujeres Saharuis“
Die Sahrauis sind die rechtmäßigen BewohnerInnen der West-Sahara. 1975, kurz nachdem die Kolonialmacht Spanien in völkerrechtswidrigen Geheimverträgen Verwaltung und Herrschaftsanspruch an Marokko und Mauretanien abgetreten hatte, wurden die Sahrauis durch den Einmarsch von marokkanischen und mauretanischen Truppen und den gleichzeitigen „Grünen Marsch von 350.000 marokkanischen Freiwilligen ins Exil getrieben. Seitdem beansprucht Marokko das Gebiet der West-Sahara, Hintergrund sind vielfältige Bodenschätze, Ölvorkommen und Fischreichtum vor der Küste. Die Sahrauis errichteten hinter der algerischen Grenze Flüchtlingslager in der Wüste. Dort leben bis heute ca. 100.000 Menschen in Zeltstädten. Frauen hatten schon zuvor eine tragende und respektierte Rolle in der Gesellschaft, 1974 hatten sie sich in der „Union Nacional de Mujeres Saharauis zu gegenseitiger Unterstützung zusammengefunden. In den Lagern nun übernahmen die Frauen fast alle Arbeiten und die gesamte Organisation, da viele Männer in der Frente Polisario um die Rückgabe ihres Landes kämpften oder schon tot waren. Besonderen Wert legten die Frauen auf Ausbildung, Emanzipation der Frauen, Gesundheit und politische Organisation. Außerdem besannen sie sich auf ihre eigene Kultur und Tradition, wie traditionelle Gesänge der Frauen, die auch auf diesem Album zu hören sind. In den Flüchtlingslagern entwickelte sich die Musik der Sahrauis weiter, und neue Themen wie der Aufruf zu Widerstand und Kampf oder Lieder über die Schönheit der verlorenen Heimat fanden Eingang. Immer wieder forderte die UNO Marokko auf, ein Referendum über Unabhängigkeit oder Eingliederung der West-Sahara in das Königreich Marokko abzuhalten, doch die Durchführung wird verzögert, die Kriterien für Stimmberechtigung werden in Frage gestellt. Inzwischen leben in der ehemaligen Heimat der Sahrauis unzählige marokkanische Familien, zum Teil seit Jahrzehnten, deren Stimmen gegen die der Sahrauis stehen würden. Ein Friedensplan der UNO wird von Marokko seit über zehn Jahren verschleppt und hintertrieben. Dank seiner strategischen Lage an der Flanke Europas ist Marokko als Bündnispartner der EU wichtig. Daneben beeinflussen handfeste wirtschaftliche Interessen Spaniens und Frankreichs die Situation. Als neue Komplikation kommen Ölgeschäfte der USA mit Afrika dazu. Auch wenn die Sahrauis schon immer das Völkerrecht uneingeschränkt auf ihrer Seite hatten, dürfen sie bis heute nicht zurückkehren und in Frieden in ihrer Heimat leben!Die Sängerin und Komponistin Mariem Hassan hat gemeinsam mit den anderen Frauen der Gruppe und dem Gitarristen Nayim Allal die traditionelle Haul-Musik der Sahrauis behutsam und respektvoll modernisiert. Neben den beiden traditionellen Hauptinstrumenten, der Tidinit, einem viersaitigen gitarrenähnlichen Instrument und dem T’bal, einer Trommel, die hauptsächlich von Frauen gespielt wird, kam in der sahrauischen Musik schon sehr früh die elektrische Gitarre zum Einsatz. Viele der Songs auf diesem Album beschäftigen sich mit der verlorenen Heimat und mit der Hoffnung auf Rückkehr, Frieden und Freiheit. Auch wenn diese Hintergründe sehr traurig sind, ist die Musik von zeitloser Schönheit, voller Poesie und voller Kraft.
CD, 2003, 12 tracks, Label: Nubenegra/Galileo
Irene Hummel11.05.2003