Barbara Morgenstern
“bm“
„Dieser Anblick stirbt / ich schau‘ einfach hin / ist Umbruch denn / an sich nicht gut?“ Mit diesen richtungsweisenden Worten beginnt Barbara Morgensterns neues Album „bm“: Morgenstern, eine der populärsten Künstlerinnen des Labels „Monika“ und Vertreterin der sogenannten „Wohnzimmer“-Szene Berlins, erweitert ihr Betätigungsfeld. Galt sie bislang als Ikone eines irgendwie verfrickelten, sehr berlinerischen und Goethe-Institut-geförderten Elektropops, schlägt sie auf „bm“ chansonhafte, zum Teil klassische Töne an. Ihr früheres Lieblings-
instrument, die Vermona-Orgel, hat sie gegen ein großes Bechstein-Piano eingetauscht, auf dem sie ihre unter-die-Haut-gehenden Lyrics untermalt, häufig zu Violin-Arrangements, seltener zu knarzigen Elektrosamples, der Beat spielt nur selten eine Rolle, und wenn, wird er in antirhythmische Splitter zerhackt („My Velocity“). Man hört förmlich, mit welcher Verve und körperlicher Kraftanstrengung sich Morgenstern das Piano aneignet, ihre Stimme bleibt dabei stets klar, hell und freundlich, kommt den Zuhörern ganz nah. Die Stadt an sich und Berlin im Speziellen ist ein zentrales Thema auf „bm“: explizite Texte über fragwürdige Gentrifizierungstendenzen („Come to Berlin“, „Reich & Berühmt“) stehen im Kontrast zum schwärmerisch-entrückten Traum von einer fremden, vielleicht besseren Welt („Jakarta“). Krankheit, Leben und Tod sind die anderen großen Topics, die Morgenstern umtreiben: gemeinsam mit ihrem persönlichen Helden Robert Wyatt, dem an den Rollstuhl gefesselten Soft Machine-Gründer, entstand die fragile Ballade „Camouflage“, in „Morbus Basedow“ arbeitet sie sich an der Krankheit ab, an der sie selbst leidet. „bm“ ist ein sehr persönliches Album, intim bis an die Grenze des Ertragbaren; andererseits kosmopolitisch, offen, polyglott. Jedenfalls kein „Wohnzimmer-Pop“ mehr.
CD, 2008, 13 Tracks, Label: Monika Enterprise
Christina Mohr04.11.2008