Elen

“Blind über Rot“

Wer einmal ihre Ode an das Liegenbleiben gehört hat („Liegen ist Frieden“), wird den Song nicht zuletzt wegen seiner Ohrwurmqualitäten nicht so schnell los. Wer kann dieses Gefühl nicht nachempfinden? Dabei ist es gar nicht so einfach, sich so treffend und dennoch ohne Plattitüden auszudrücken, eine Sprache und Bilder zu finden, die sofort verstanden werden oder gar berühren. Elen kann genau das. Sie hat als Berliner Straßenmusikerin angefangen, mittlerweile lebt die 30Jährige mit ihrem Partner auf einem Bauernhof in Brandenburg (und lässt ihre Fangemeinde virtuell teilhaben an ihrem Leben inmitten von vielen Tieren). „Blind über Rot“ ist ihr zweites, aber erst das erste deutschsprachige Album, das sie mit Band eingespielt hat. Ihre 12 Songs klingen aus dem Bauch heraus und auf den Punkt, poppig, aber mit tiefem Grund. Es sind kluge und ehrliche Lebensbetrachtungen, die sie mit ihrer unverwechselbaren Stimme erzählt. Da erklingt eine tiefe Sehnsucht, endlich wieder was richtig spüren und sich berühren zu lassen („Hallo“) oder sich in kindlichen Luftschlössern verlieren zu können. Es sind passende Songs für diese Zeit, wo wir uns durch Corona wieder mehr auf uns besinnen könnten, aber die Ablenkung durch das Virtuelle oft genau das verhindert. Ob es am Plattenvertrag mit dem Rocklabel Vertigo Records/Universal liegt, dass die Songs in meinen Ohren arg radiotauglich gestrickt wirken und bei den Arrangements zu wenig Überraschendes (ruhige Strophen, wuchtige Refrains) bieten, kann ich nur vermuten. Vielleicht wäre weniger mehr gewesen.

CD, 2020, 12 Tracks, Label: Vertigo Records

Mane Stelzer

26.06.2020