Nadine Maria Schmidt & Frühmorgens am Meer
“Blaue Kanten“
„Das Leben ist schön, tut aber auch ganz schön weh“ – so könnte man die Botschaft der Leipziger Singer-/Songwriterin Nadine Maria Schmidt (ehemals Nylonsaiten & Saitenstrümpfe) zusammenfassen, die im Juni mit ihrer Band Frühmorgens am Meer ihr drittes Album veröffentlicht hat. Und das ist wahrlich keine leichte Kost. 75 Minuten deutschsprachige „Zuhörmusik“, wie sie selbst sagt, in der sie mit ihrer warmen und tiefen Altstimme alle Register zieht, mal knurrt und knarzt, dann wieder sanft singt und spricht. Die Silben betont sie, wie sie möchte (und erinnert dabei ein ganz klein wenig an Grönemeyer), Brüche sind gewollt und überhaupt hat diese eigenwillige junge Musikerin Charakter für zwei und ist authentisch wie kaum ein/e andere/r. Das erklärt sich vielleicht auch durch ihren Werdegang. Relativ spät, mit 23 fängt sie an, sich selbst Gitarre spielen beizubringen und Songs zu schreiben und zu singen. Dann bekommt sie Stimmbandknötchen und den ärztlichen Rat, mit dem Singen aufzuhören. Trotzdem entschließt sie sich, Liedermacherin zu werden. Weil sie gar nicht anders kann. Wer sie hört, versteht und freut sich, dass Zeilen wie „Komm mit mir in den Schatten/ich spiel die Sonne und du den Mond“ in die Welt getragen werden. Ihre Lieder handeln vom Menschsein, von Trauer, Abschied und Altersdemenz („Wenn sie geht“), aber auch von Wut („Raus hier“), Liebe und Freude, was dem Album gut tut. Die „blauen Kanten“, die dem Album seinen Namen geben, sind gleichsam Verwandte der blauen Flecken, denn mit ihnen sind die Macken gemeint, die man sich im Laufe des Lebens angewöhnt und die manchmal anderen wehtun. Für ihre Musik hat die Sängerin und Gitarristin nach und nach eine sensible Band um sich geschart, die aus dem Pianist Till Kratschmer, Chris Turrak am Bass und Karl Blütchen am Schlagzeug besteht und von dem Cellisten Moritz Brümmer ergänzt wird. Mehr noch: für den herzallerliebsten „Monstersong“ hat sie einen spontanen „Monsterchor“ aus Profi- und Laien-SängerInnen zusammengestellt. Kein Wunder, dass 130 weitere Menschen („die besten Fans der Welt“) mittels Crowdfunding bereit waren, dieser wagemutigen und sympathischen Band zu helfen, das Album zu finanzieren. Für tiefgründige Gemüter, die sich gern von intensiv vorgetragenen musikalischen Geschichten entführen und anrühren lassen.
CD, 2012, 14 Tracks, Label: LaLa Schallplatten
Mane Stelzer21.08.2012