Anika
“Anika“
Man kann der deutsch-britischen Journalistin, Musikpromoterin und seit-kurzem-auch-Sängerin Anika und ihrem Produzenten Geoff Barrow (Portishead, Beak>) nicht vorwerfen, dass bei den Aufnahmen zu ihrem Debütalbum kommerzielle Interessen im Vordergrund gestanden hätten. Die neun Tracks, teils Coverversionen, teils Eigenkompositionen, wummern düster und schleppend aus den Boxen und sind dabei so widerständig, cool und unangepasst, dass es eine wahre Freude ist. Die 23-jährige Anika, eine begnadete Nicht-Sängerin vom Schlage Nicos, Pulsallamas oder Michaela Mélians, intoniert distanziert und gleichgültig Lyrics von Yoko Ono („join the revolution… now“) oder Skeeter Davis‘ Herzschmerzballade „The End of The World“ und bringt gerade dadurch Brisanz und Bedeutung in die Texte. Gepolstert wird Anikas kühler Sprechgesang von Barrows Beak>-Band mit trägem, schwerem Dub, verlangsamtem Dancehall-Reggae, viel Echo und an Joy Division angelehnten PostPunk-Gitarren. Es ist die reinste Kiffermusik, die Anika und Barrow zusammengerührt haben: Bob Dylans „Masters of War“ klingt bei Anika monoton, verdrogt und verschlafen-sexy, in den trägen Dub-Sound knattert unvermittelt ein Schlagzeug hinein, das Ende franst ziellos aus. In den anderen Tracks finden sich Spuren zu TripHop und Wave-Funk, der Groove pulst unmerklich und unwiderstehlich. Die Stimmung des Albums ist definitiv im Keller: in einem dunklen, feuchtkalten Keller, in dem Ratten herumhuschen, aber das ist egal, weil man die richtigen Drogen dabei hat und garantiert tanzen und knutschen wird, wenn nicht sogar mehr. Geographisch wandert Anikas Album zwischen Bristol, Manchester, Berlin und New York hin und her, historisch bezieht man sich hauptsächlich auf die späten 1970’er Jahre. Und doch klang lange kein „Indie“-Album so speziell und underground. Groß.
CD, 2010, 9 Tracks, Label: Invada
Christina Mohr23.11.2010