PJ Harvey & John Parish
“A Woman A Man Walked By“
Was für eine Platte! Anderthalb Jahre nach dem beinah unhörbaren (im Sinne von „still“ und „leise“, nicht etwa „schlecht“) Album „White Chalk“ meldet sich Polly Jean Harvey kraft- und eindrucksvoll zurück. „A Woman A Man Walked By“ ist ihre zweite Kooperation mit dem Musiker und Produzenten John Parish: ganze zwölf Jahre nach „Dance Hall at Louse Point“ fanden die beiden, es sei mal wieder an der Zeit für ein gemeinsames Album. Was nicht heißen soll, dass in der Zwischenzeit kein Kontakt bestand, im Gegenteil, Harvey und Parish lassen einander stets an ihren jeweiligen Arbeiten teilhaben, sei es durch kritische Begutachtung oder das Beisteuern von Text und Musik für neue Songs. Die Arbeitsteilung auf „A Woman A Man Walked By“ sieht so aus: Musik John Parish, Lyrics und Gesang PJ Harvey, gemixt von Mark Ellis alias Flood (Depeche Mode, Erasure). Die zehn Tracks bestechen durch Vielfalt, Furor, Energie, Spaß am Experiment: die Single (und gleichzeitig der erste für dieses Album entstandene Song) „Black Hearted Love“ ist ein verführerischer Bluesrock-Pop-Hybrid mit eingängiger Melodie und wuchtigen Gitarrenriffs, in der kaputten Ballade „April“ stellt PJ ihr Talent für bedrohliche, gleichzeitig lustige Texte unter Beweis, bei „The Soldier“ erklingen Ukulele und Klavier, ein Banjo klimpert durch „16.15.14“. Wütend, laut, aggressiv bis zur Parodie tobt sich Harvey im sexuell höchst aufgeladenen Titeltrack aus: „I want your fucking ass, I want your fucking ass“ knurrt sie, dazu taumelt und stolpert das Schlagzeug in alle möglichen Richtungen, haltlos und schlingernd. Mit Courtney Love’scher Rotzigkeit brüllt und bellt (!) sich PJ durch „Pig Will Not“ und stellt das Bartleby’sche Mantra „I prefer not to“ vom Kopf auf die Füße: „I will not, I WILL NOT!!“ Die beiden letzten Songs sind größtmögliches Kontrastprogramm: chansonesk und fragil schweben Worte und Musik in „Passionless, Pointless“ und „Cracks in the Canvas“. Keine vierzig Minuten dauert „A Woman A Man Walked By“ – vierzig Minuten, in denen man sich nichts anderem widmen kann (und soll!) als diesem Album.
CD, 2009, 10 Tracks, Label: Island
Christina Mohr30.03.2009