V.A.

“4 Women No Cry Vol. 3“

Gudrun Gut, Gründungsmitglied von Malaria! und Electro-Pionierin, hat es sich mit ihrem Label Monika Enterprise zur Aufgabe gemacht, Künstlerinnen zu fördern, die wie sie selbst keine Scheu vor dem Hantieren mit technischem Gerät haben. Die mittlerweile in der dritten Ausgabe erscheinende Monika-Compilation „4 Women No Cry“ stellt folgerichtig vier Electro-Musikerinnen vor, die noch nicht populär oder nur einem kleinen Kreis Eingeweihter bekannt sind. Die Musikerinnen auf „4 Women No Cry Vol. 3“ stammen aus Pereira/Kolumbien, Los Angeles, Athen und Rio de Janeiro, was auf ein weiteres Steckenpferd von Labelchefin GG hinweist: das Reisen und damit einhergehend ein großes Interesse an der musikalischen Arbeit von Menschen, die nicht aus den üblichen Pop-Provenienzen wie Großbritannien und den USA stammen.
Mit Julia Holter ist zwar eine Amerikanerin an Bord, deren Faszination mit asiatischer, orientalischer und mittelalterlicher Musik aber nur wenig Berührungspunkte mit angloamerikanischem Pop aufweist. Holter, die auch Co-Betreiberin des Labels Human Ear Music ist, spielt hauptsächlich Keytar, ein Mittelding zwischen Keyboard und Gitarre und verwendet ungewöhnliche Instrumente wie ein Clavinet oder chinesische Glöckchen. Ihre klare Stimme klingt mal spooky wie Julee Cruise, mal fest und hell wie eine Folksängerin, was besonders bei „Coyotes of the Canyon“ für irritierende, hinreißende Momente sorgt.
Zugänglicher und poppiger, ohne konventionell zu sein, geht The Sound of Lucrecia vor – die Kolumbianerin Lucrecia startete ihr musikalisches Projekt vor fünf Jahren, singt spanisch und englisch und erinnert entfernt an Masha Qrella, eine der erfolgreichsten und typischsten Monika-Künstlerinnen. Lucrecias Songs sind sanft und dennoch spannungsreich, ein Track wie „Answering Machine“ verrät ihr großes kompositorisches Talent, das ihr hoffentlich ein breites Publikum beschert.
Eleni Adamopoulou alias Manekinekod aus Athen genoß eine klassische Musikausbildung, arbeitete als Musiklehrerin und spielte in vielen griechischen Bands. Manekinekod beschreibt Athen als „lärmig und melancholisch“ und diese beiden Pole bilden auch das Spannungsfeld ihrer Musik: Manekinekod sammelt und samplet Geräusche, arbeitet mit Versatzstücken und Fragmenten, baut aus dem Geklapper einer Tastatur, dem Maunzen von Katzen und Gesprächsfetzen fragile Melodien, die meist von ihrem zurückhaltend gespielten Piano verbunden werden. Auch Eleni/Manekinekod reist gerne: der Titel „Room 302“ verweist auf ein Hotelzimmer, das sie in Berlin bewohnte, aus Berlin stammen auch die akustischen Fundstücke, die sie auf „B With An“ einsetzt.
Liz Christine, deren vier Tracks den Sampler beschließen, stammt aus Brasilien, doch Spuren von Samba, Capoeira oder Bossa Nova kann man in ihrer Musik kaum ausmachen. Sie selbst gibt Filme von Bunuel und Truffaut als größte Einflüsse auf ihre Arbeit an und tatsächlich klingen ihre Stücke wie gemacht zur Untermalung geheimnisvoller Filmbilder. Auch Liz Christine verwendet Tierstimmen (Katzen, Hunde), ihre Musik ist jedoch mehr Sound als Melodie, eher atmosphärisch als strukturell.
„4 Women No Cry“ ist eine bewußtseinserweiternde sonische Reise und beweist, dass die derzeit spannendste elektronische Musik von Frauen gemacht wird

CD, 2008, 18 Tracks, Label: Monika Enterprise

Christina Mohr

10.09.2008