Sophie Hunger

“1983“

Nicht einmal ein Jahr liegt zwischen dem gefeierten zweiten Album „Monday’s Ghost“ und dem neuen Werk „1983“. Das ging wider das Vorurteil, in der Schweiz würden die Uhren gemächlicher als anderswo ticken, schnell. Warum also die Eile? Sophie Hunger, auf deren Jahrgang der Titel verweist, blühte bei der Tour zu „Monday’s Ghost“ derartig auf, dass sie sich in der introvertierten Melancholie nicht mehr vertreten sah. Europaweiter Erfolg, mehrheitlich ausverkaufte Konzerte und euphorische Kritiken, um nur einiges zu benennen, machen offensichtlich glücklich. Neue Ideen sprudelten aus ihr heraus, die in Form gebracht werden wollten. An die Stelle von überbordender Emotionalität tritt eine nach außen gerichtete Direktheit, die teils aggressiv, teils geerdet daherkommt. Programmatisch zeigt sich dies auf dem Cover: Eine starke, selbstbewusste Frau zielt mit der Pistole auf den Betrachter und als Rückschuss von der Außenwelt auf sich selbst.
Bereits Ende 2009 produzierte Sophie Hunger zusammen mit dem Sound Engineer Stephane Briat (Phoenix, Air) in Paris das viersprachige Album. Dabei ist die einst akustische Klangkulisse allerlei Sound-Effeken und Drumcomputern gewichen. Ob das nun gut oder schlecht ist, liegt im Ohr des Betrachters. Sicher ist, dass von der intensiven Singer-Songwriter-Atmosphäre des Vorgängers nicht viel geblieben ist. Dafür wird der Konsensgeschmack des anspruchsvollen Radiohörers getroffen. Liebhabern der alten Platte bleibt nur übrig, sich an Songs wie „Travelogue“ festzuhalten und eben einzusehen, dass sich im Leben einer Sängerin einiges ändern kann, was sich durchaus in der Musik widerspiegelt. Oder in den Worten von Sophie Hunger: „Es sind eben nicht nur die äußeren Dinge explodiert in jener Zeit, nein, das ist auch irgendwie in mir passiert. Das musste raus.“

CD, 2010, 14 Tracks, Label: Two Gentlemen

Janine Andert

22.04.2010