Kulturwerkstatt feiert ihren 30. Geburtstag

Bands, Party & Politics 10.-12.06.2022

Aus Frankfurt ist sie schon lange nicht mehr wegzudenken, Generationen von Musiker*innen haben dort bereits geprobt, gejammt, Unterricht gegeben & genommen und auf der Bühne gestanden: die Kulturwerkstatt Germaniastraße. Für die regionale und überregionale Musik- und Kulturszene ist das soziokulturelle Zentrum seit mehr als 30 Jahren ein wichtiger Ort der kreativen Begegnung und für uns ein beständiger Kooperationspartner. Nach der coronabedingten Feierpause kann der Geburtstag am kommenden Wochenende endlich gebührend gefeiert werden: mit einem großen Kulturfestival bei freiem Eintritt. Wir freuen uns drauf!

Am Anfang war die Subkultur. Frankfurter Bands und Kulturinitiativen suchten Anfang der 90er nach bezahlbaren und sicheren Räumlichkeiten, in denen sie proben und arbeiten konnten: das Projekt Kulturwerkstatt war geboren. Auf eigene Initiative und Kosten bauten sie die ersten Proberäume in ehemaligen Kriegsbunkern in Frankfurt aus. Im Germaniabunker begannen gleich mehrere Vereine und Kulturinitiativen ihre Arbeit: Medienwerkstatt, Naturfreundejugend, Waggong, VirusMusik/Kick e. V. und die Theatercompagnie Tagträumer.

Die in den Musikbunkern probenden Bands bekamen mit Sepp’l Niemeyers Initiative „Kick“ eine kulturpolitische Vertretung, die die regionale Musikszene auf der 1. Frankfurter Rockmesse 1991 und einem Bandkatalog öffentlich sichtbar machte und mit ca. 10.000 Konzertbesucher*innen äußerst erfolgreich war. Zahlreiche neue Veranstaltungsformate, Radio & TV-Sendungen (VirusMusikRadio, NewcomerTV, Standort) und viele Slots auf Frankfurter (Festival-)Bühnen bieten bis heute für der lokale Musikszene und vor allem Newcomer*innen eine wichtige Plattform.

Die jahrelange Öffentlichkeitsarbeit und das Engagement der Musikbunkervereine zahlte sich aus, 1993 kaufte die Stadt fünf Bunker auf und stellte sie Bands zur Verfügung. Irmgard Tennagels begann ihre Arbeit als „Beauftragte für Popularmusik“ und wurde mit einem eigenen Etat für Projektförderung ausgestattet, die auch der Kulturwerkstatt zugutekam. Heute verwaltet das soziokulturelle Zentrum im eigenen Haus 22 Proberäume und 9 weitere in Bürgerhäusern, die von Musik- und Theatergruppen genutzt werden.

Auch die Frauen* organisierten sich. 1995 begann die Kooperation von Waggong mit uns, dem Frauen Musik Büro. Es entstanden die ersten all female* Workshops, zunächst unregelmäßig an Wochenenden in der Kulturwerkstatt. Von 1998 bis 2017 bescherte die Hessische Frauen Musik Woche (Foto: FMW Abschlusskonzert 2009) unzähligen Musikerinnen* inspirierende Musikwochen in verschiedenen Tagungshäusern. 1996 startete „rocketta“, das Hessische Rockmobil für Frauen* und Mädchen*, gefördert vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, mit mobilen landesweiten Weiterbildungsangeboten. Bis heute zählt das Team von Waggong e.V. zu unseren engsten Kooperationspartner*innen, mit denen wir bereits zahlreiche Workshop-Wochenenden und Nachwuchs-Projekte (Girls That Rock, Girls‘ Day, Songwriting Workshops, Miezenabend, Hörspiel u.v.m.) veranstaltet haben.

Betritt man heute den Germaniabunker, sieht man vor allem Schüler*innen auf dem Weg zum Musikunterricht oder Musiker*innen auf dem Weg zur Ensembleprobe. Kein Wunder, denn die Weiterbildung von Musiker*innen aller Altersstufen macht einen großen Bereich der soziokulturellen Arbeit im Germaniabunker aus. Neue Unterrichtskonzepte und ein großes, stilistisch breit gefächertes Angebot an Ensemblekursen und Workshops von Jazz, Weltmusik, Fusion, Pop, Rock, Improvisation bis zur Klassik geben mehr als 2000 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eine musikalische Heimat und bereiten auch angehende Profis auf Studium und Beruf vor. Rund 60 Dozent*innen, die selbst in der Freien Musikszene aktiv sind, stehen dabei den Schüler*innen zur Seite.

Auch die Gitarristin Katrin Zurborg (rechts im Bild, Foto: Natalie Färber) und ihre Kollegin, die Schlagzeugerin Uta Wagner, gehören zum Lehrpersonal. Seit vielen Jahren proben sie selbst mit ihren Bands im Bunker und geben dort Workshops. Im letzten Jahr sind sie als Verstärkung zum Team von Maria Schmitt und Fritz Müller dazugekommen. Schmitt und Müller hatten den Verein Waggong e.V. federführend aufgebaut und maßgeblich gestaltet, man konnte in ihrem Büro immer auf ein Schwätzchen vorbeischauen. Was hat sich das neue Team für die Zukunft vorgenommen? „In erster Linie wollen wir die Institution Kulturwerkstatt Germaniastraße weiterführen wie bisher“, sagt Zurborg. „Jedoch bleibt in der Regel nichts, wie es einmal war, sondern alles entwickelt sich weiter. So wollen wir uns natürlich auch weiterentwickeln und für unsere Dozent*innen und „Kund*innen“ das Kulturzentrum sein, dass sie sich wünschen. Da es mittlerweile viel mehr Ensemble-Unterricht und Workshop-Angebote gibt als noch vor 30 Jahren, werden wir unseren Schwerpunkt in die Vermittlung und Vernetzung der Frankfurter aber auch der Hessischen Kulturszene insgesamt setzen. Ebenso ist der Bedarf nach Proberäumen so hoch wie nie zuvor. Auch dies wird weiterhin einer unserer Schwerpunkte sein“.

Für die weitere Zukunft des soziokulturellen Zentrums hoffen die Betreiber*innen, dass die regelmäßige Förderung durch die Stadt Frankfurt und durch das hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst weder gekürzt noch gestrichen wird. „Dazu gehört aber auch eine langfristige Planungssicherheit: im kommenden Jahr läuft der Mietvertrag des Germaniabunkers mit der Stadt Frankfurt aus. Die Entwicklung der letzten 30 Jahre hat gezeigt, was alles möglich ist, wenn man keinen auslaufenden Mietvertrag oder eine stattliche Mieterhöhung zu erwarten hat“, erklärt Katrin Zurborg. „Wir wünschen uns, dass der Mietvertrag zu ähnlichen Bedingungen wie bisher erneuert wird. Und auch wenn die Mietkosten sich erhöhen müssen, dann bitte nur um ein geringes Maß, damit die durch Corona ohnehin schon gebeutelten Musiker*innen und Künstler*innen, die bei uns einen Proberaum haben oder regelmäßig anmieten, sich die Miete weiterhin leisten können“.

Nachdem die Coronpandemie 2020 einer Jubiläums-Feier einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, stehen die Zeichen jetzt gut und dem geplanten Open-Air-Festival kann eigentlich nur noch das Frankfurter Wetter im Wege stehen. Los geht es am Freitag, den 10.06.2022 um 16 Uhr mit einer Veranstaltung mit geladenen Gästen: Am Eröffnungstag wollen die Teams von Waggong e.V. und VirusMusik mit Förder*innen und Gästen aus Politik und Presse ins Gespräch kommen und über die bisherige Entwicklung und die Perspektiven der nächsten Jahre sprechen. Am Samstag ist dann das Publikum ab 15 Uhr herzlich eingeladen, sich im Garten der Kulturwerkstatt einzufinden, wenn Bands der im Germaniabunker arbeitenden Künstler*innen sowie ihre von ihnen angeleiteten Ensembles Konzerte geben.

Samstag, 11. Juni 2022 Livemusik im Garten (Eintritt frei)
15 Uhr: Duolog feat. Carl Clements (Jazz/Worldmusic)
16 Uhr: Tiefenrausch Klangkombinat (Fusion)
17 Uhr: Anonyme Saxophoniker (experimentelle Blasmusik)
18 Uhr: Dins (Jugendrockband)
19 Uhr: Vokalwerkstatt (Chormusik)
20 Uhr: Maison Manouche (Swing/Gypsy)
21 Uhr: …N.N.

Sonntag, 12. Juni 2022 Bunter Familien-Nachmittag mit Kinderliedermacher*innen (Eintritt frei)
15 Uhr: Ferri (Kinderliedermacher aus Frankfurt)
16 Uhr: Andrea (Phantasievolle Bewegungslieder)
17 Uhr: Iso Herquist (Musikanarchistisches Family Entertainment)
18 Uhr: Abschlusskonzert mit dem Waggong Jazz Trio (groove Jazz)

 Für leckeres Essen & Getränke ist an allen Tagen gesorgt. Der Eintritt ist frei!

Programm | Waggong e.V. | VirusMusik

Autorin: Mane Stelzer

08.06.2022