Tutu Puoane begeisterte bei den Hildener Jazztagen (19.08.2021)
Tutu wer? Auch mir war der Name der Jazz-Sängerin bis zu ihrem Auftritt bei den 25. Hildener Jazztagen kein Begriff. Dabei ist die Südafrikanerin seit langem eine der eindringlichsten Stimmen der zeitgenössischen Musikszene in den Benelux-Ländern.
In Pretoria geboren und aufgewachsen, studierte sie später Jazz-Vocals an der University of Cape Town, ehe sie 2002 nach Holland wechselte, um ihre Gesangsausbildung am Königlichen Conservatorium von Den Haag fortzusetzen. In Südafrika war sie zu diesem Zeitpunkt schon bekannt. 2004 gewann sie dort den renommierten Standard Bank Young Artist of the Year Award. Auch bei unseren Nachbarn in den Niederlanden und Belgien ist sie eine feste Größe in der Jazzszene. Dort tourte sie vor Corona mit ihrem The Joni Mitchell Projekt, mit den einzigartigen Songs und Texten der kanadischen Sängerin, die sie auf eine persönliche Art und Weise interpretierte.
Für Hilden wählte sie nun ganz neue Songs aus. Das Publikum kam in den Genuss noch nicht veröffentlichter Kompositionen der Sängerin, in denen sie Gedichte der südafrikanischen Performance-Künstlerin und Aktivistin Lebogang Mashile vertont. Ob dieses Programm die richtige Wahl für das Hildener Publikum war? Wären Joni-Mitchell-Songs vielleicht besser gewesen? Immerhin ging es in den Songs sehr viel um Themen rundum Black Lives Matter. „Being African is being part of an unseen force“, sang Tutu zur Eröffnung. Während das Publikum frierend in Parkas und Steppjacken auf auf Abstand gehaltenen Plätzen saß, trat die Sängerin in einem luftigen Jumpsuit auf – und präsentierte Songs, die nicht gerade dazu geeignet waren, eine wohlige Wärme zu verbreiten. Es ging um Vorurteile, um Ungerechtigkeiten, um das Schicksal von Menschen, die in einer „suicidal skin“ leben. Insbesondere ging es in den Songs auch um das Schicksal Schwarzer Frauen, die ihre Schönheit nicht sehen, sich die Haare glatt ziehen und trotzdem der Gesellschaft nie genügen. „Open your eyes“ singt sie emotional in ihrem zweiten Stück, öffnet eure Augen für die Ungleichheiten, und scheint den Tränen nahe zu sein, als sie diesen Song mit der Frage schließt: „When will it end?“
Dazwischen geht es aber auch etwas leichter zu, etwa wenn sie im Duett mit ihrem Pianisten Ewout Pierreux die liebliche Ballade „You and I“ singt, wenn sie ihre Stimme zum Instrument werden lässt, das die ganze Bandbreite der Töne einer Posaune nachahmt, oder wenn sie im beeindruckenden Scat-Gesang Laute der Xhosa-Sprache mit einfließen lässt, und das Publikum auffordert, ausgerechnet diese Stellen mitzusingen. Für mich als Schwarze Zuhörerin waren die Songs überwiegend traurig und bedrückend, doch auch wer die Texte nicht verfolgt oder nicht verstanden hat, erlebte ein berührend schönes Konzert. Und wird den Namen Tutu Puaone im Repertoire zeitgenössischer Jazz-Sängerinnen sicherlich so schnell nicht vergessen (Fotos: Zbyszek Lewandowski).
Konzertbesetzung: Tutu Puoane (SA/BE), voc – Ewout Pierreux (BE), p/ komp – Jasen Weaver (USA/BE) , b – James Williams, (USA/BE), dr
Tina Adomako