Inger Nordvik

“Time“

Es ist nicht leicht Beschreibungen zu finden, die Inger Nordviks Debütalbum „Time“ gerecht werden. Denn die Stücke der norwegischen Sängerin, Pianistin und Komponistin sind vielschichtig und folgen ihren eigenen musikalischen Regeln. Was sicherlich zuerst auffällt, ist Nordviks glasklare Stimme – ein strahlendes Leuchten umgeben von harmonischen Farbtupfern. Viel Zeit für verzücktes Innehalten bleibt allerdings nicht. Schon nach wenigen Takten offenbart sich eine wahre Fülle interessanter Details und Entwicklungen. Wie flüchtige Traumszenen reihen sich verschiedene Gedanken und Emotionen aneinander. Melodie-, Rhythmus- und Stilfragmente verschmelzen zu immer neuen Klanggebilden und ziehen die Hörer*innen in ihren Bann. Inspiriert wurde die kreative Künstlerin durch ganz unterschiedliche Genres und Musiziertraditionen. Nach Abschluss ihres klassischen Gesangsstudiums in Oslo zog sie nach Berlin und erkundete schon bald die dortige Jazzszene. Auch deutliche Einflüsse aus Folk, Soul und Pop sind in ihren Kompositionen zu finden. Neben klanglicher Schönheit und kompositorischer Komplexität zeichnet sich Nordviks Musik aber auch durch die Vielfalt der dort behandelten Themen aus. Beschreibungen persönlicher Erlebnisse und Gedanken stehen neben philosophisch-politischen Reflexionen. „Would I walk with the rest of them? (…) Would I obey? (…) Or would I die for whatever that I believe in? Would I choose eternal darkness?“, grübelt die junge Sängerin in einem Stück über den Widerstandskämpfer Georg Elser („Elser“), welches Elemente aus Jazz, Pop, Neuer Musik und barockem Lamento-Gesang verbindet. Während Nordviks Stimme bei den eher ruhigen Stücken „Sleep“, „For A While“ und „Time“ zwischen zarter Zerbrechlichkeit und souliger Intensität schwankt, entwickelt sich bei „Pink Needles“ ein buntes Geflecht aus jazzig verspieltem Gesang, zarten Pianomelodien, vorsichtig gezupftem oder unruhig gestrichenem Kontrabass (Karl-Erik Enkelmann) und sporadisch platzierten Schlagzeugakzenten (Dag Magnus Narvesen). Auch nach mehrmaligem Hören gibt es auf diesem Album noch Neues zu entdecken. Man lauscht dem bezaubernden Klang von Nordviks Stimme, verfolgt melodische und rhythmische Wendungen, spürt Klangfarben und Emotionen nach oder ergründet die Feinheiten der Arrangements. Ein beeindruckendes Debüt!

CD, 2020, 10 Tracks, Label: Asta Records

Stefanie Zimmermann

27.03.2020