Ali Barter
“Hello, I’m Doing My Best“
Was sofort bei „Hello, I’m Doing My Best“ auffällt ist, dass der Albumtitel nicht als Track zu finden ist, wie es sonst so oft der Fall ist. Es ist aber genau das, was Ali Barter in ihrem Leben lernen musste. Sie hatte lange mit Perfektionismus sowie Essstörungen und Alkoholproblemen zu kämpfen, doch inzwischen ist ihr klar geworden: „This is all I have, and I’m going to do it. And then I’m going to step away. And that’s it; I can’t do anything else. That’s who I am and I can’t fucking push it away anymore“. Als die Australierin vor sieben Jahren aufhörte zu trinken, begann sie Musik zu machen. Nach der Veröffentlichung ihrer ersten Platte „A Suitable Girl“ (2017) wurde ihr auf einmal alles zu viel, sie floh aus der Stadt und nahm nur ihre Gitarre als Begleitung mit.
Obwohl sie sich noch nicht bereit für neue Musik fühlte, kamen ihr neue Lieder in den Sinn, die sie nicht unterdrücken konnte und sie merkte, dass das, wogegen sie sich so lange gesträubt hatte, sie selbst war. Erst im Aufnahmestudio in der Nähe von Melbourne nahm sie ihre neuen Lieder wirklich an. Die Indiepop-Musikerin schreibt ihre Texte, Akkorde und Melodien selbst, während ihr Ehemann Oscar Dawson sich um Bass, Schlagzeug und Gitarrenriffe kümmert. „Hello, I’m Doing My Best“ ist zwar ein Indiepop-Album, hat aber auch einige rockige Züge. Es beginnt mit dem Track „Lester“, in dem es um die schwierige Beziehung zu ihrem verstorbenen Vater geht. Mit soften Indie-Vibes fühlt man sich an einen einsamen Strand versetzt, über alles Mögliche nachdenkend. Umso plötzlicher wird man mit dem nächsten Track „Ur A Piece Of Shit“ aus dieser ruhigen Stimmung gerissen und bekommt rockige Drum-Beats und E-Gitarre auf die Ohren. In diesem Lied lässt sie sich von dunklen Geschichten von Teenage-Mädchen aus Filmen inspirieren. Weiter singt sie in ihrem Album unter anderem von ihren Alkohol-Problemen und davon, jedes Jahr erneut zu versuchen, ein besserer Mensch zu werden mit dem Schluss, dass alles wieder zurückkommt: „We’re all going nowhere, ultimately. It sounds really dark, but we are! Every day is just a day”. In „January“ passen die ruhigen Indie-Vibes perfekt zu der im Lied diskutierten existentiellen Krise. Sie wiederholt den Ausdruck „going nowhere“ immer wieder, was das Bild einer Endlosspirale erzeugt und das Gefühl von Gefangenheit vermittelt. Dennoch sagt sie selbst, es sei ein Album voller Liebe: für die Beziehungen, die ihr am meisten Freude geben, für ihren Körper, ihre Instinkte, die Menschen, die ihr nahe stehen. Barters Musik ist ehrlich, unverblümt und vor allem echt. Genau das wollte sie mit ihrem zweiten Album auch erreichen: “I wanted less instrumentation. Less polished production”, damit ihre innere Kritikerin weniger Angriffsfläche hat. Ein Album, das auch schwierige Themen anspricht und anderen Betroffenen das Gefühl gibt, damit nicht alleine zu sein.
CD, 2019, 11 Tracks, Label: [PIAS] / Interia
Jasmin Draudt30.10.2019