Yasmine Hamdan
“Al Jamilat“
Vier Jahre nach ihrem grandiosen Solodebüt „Ya Nass“ legt die in Beirut geborene Kosmopolitin Yasmine Hamdan ein neues Album vor. In der Zwischenzeit war eine Menge passiert: Ihr Auftritt im Jim Jarmusch-Film „Only Lovers Left Alive“ bescherte ihr einen Platz auf der Oscar Longlist für den „Best Original Song“ und das Album erhielt Beifall in Mainstream-Medien wie BBC World News, Al Arabiya, Arte Metropolis, New York Times oder The Guardian. Hamdan war Gast bei Jools Holland und den wundervollen NPR-Tiny Desk Concerts, und ihre internationalen Tourneen führten sie bis ins Sydney Opera House, nach Glastonbury, Sziget und in die Royal Albert Hall. Mit ihrem in einem „Tatort“ verwendeten Song „Aleb“ schaffte sie es sogar in die deutschen Single-Charts.
Al Jamilat hat sie nicht wie den Vorgänger mit Marc Collins von Nouvelle Vague aufgenommen, sondern mit einem neuen Team: Multiinstrumentalist Shahzad Ismaily (u. a. Laurie Anderson, Lou Reed) und Sonic Youth-Drummer Steve Shelly wirkten mit, als Koproduzenten waren die Londoner Luke Smith (Depeche Mode, Lily Allen) und Leo Abrahams (Carl Barat, Brian Eno) tätig. Das Album klingt räumlich und druckvoll, mal straight und clubbig, mal sphärisch, verträumt oder mysteriös. Während viele im Kontext moderner arabischer Musik nicht aufhören können, vom Brückenbau zwischen Tradition und Moderne, Orient und Westen oder Weltmusik und Pop zu sprechen, denkt Yasmine Hamdan längst weiter: „I like to find this place where the mix becomes intuitive, and where the encounter with Arabic music becomes effortless“. Dieser musikalische Ort, an dem sich Grenzen auflösen, ist mit Al Jamilat ein bisschen poppiger, globalisierter und zugänglicher geworden. Doch noch immer ist der Sound unverwechselbar Yasmine Hamdan.
Die Texte, in verschiedenen arabischen Dialekten sowie einmal auf Hocharabisch verfasst, kreisen um Liebe, Schmerz, Betrug, Tod, Krieg und Rebellion. Sie sind oft metaphorisch und vieldeutig und überwiegend kompromisslos, ironisch und bissig – ganz anders, als es ihr teils ätherisches Hingehauchtsein vermuten lässt. Der Titel-Track dagegen feiert ganz unironisch die Frauen: Er basiert auf einem Gedicht des palästinensischen Dichters Mahmoud Darwish und bedeutet übersetzt „Die Schönen“. Laut Hamdan ist es eine Ode an die Weiblichkeit, an eine Schönheit jenseits von Perfektion. Sie besingt auch in anderen Tracks häufig Frauen, in all ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit, und meilenweit entfernt von westlichen Vorurteilen von ,der‘ arabischen Frau. Für Schwarz-Weiß-Denken sind ohnehin andere zuständig – sowohl inhaltlich als auch musikalisch. Und das ist gut so. Es wird höchste Zeit, dass wir so einige Schubladen hinter uns lassen. Yasmine Hamdan, die seit ein paar Jahren endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient, liefert den perfekten Soundtrack dazu.
CD, 2017, 11 Tracks, Label: Hamdanistan Records/Crammed Discs
Simone Dömling25.01.2018