Folk auf Allgäuerisch
Interview mit Vivid Curls
Angefangen hat alles vor 15 Jahren, als Irene Schindele und Inka Kuchler ihr Straßenmusik-Duo gründeten, beide in den Zwanzigern, Schindele ist Sprachstudentin, Kuchler Logopädin mit dem ersten Kind. Der Traum, durch Europa zu reisen, ist verlockend, sie spielen erste Konzerte und reisen durch Deutschland, Österreich und Spanien. Bis 2005/6 braucht der Entschluss, die Leidenschaft für die Musik zum Beruf zu machen. Nach einer schmerzlichen Erfahrung mit einem unseriösen Produzenten bringen sie 2008 in Eigenregie und mit einer neu gegründeten Band ihr Debütalbum „Allgäu“ heraus. Die künstlerische Zusammenarbeit erweist sich als sehr fruchtbar, in steter Regelmäßigkeit veröffentlicht die Band eine CD nach der anderen, 2009 das erste unplugged Album „Lebenstanz“, „D`Aufstand“ (2010), „Verlockung“ (2011) und „Jäger der Glückseligkeit“ (2014). Auch drei Kinder erblicken das Licht der Welt und werden in dieser kreativen Schaffensphase groß. Schließlich bringen die beiden „Eine Welt“ (2016), erstmals auf Konstantin Wecker’s Label „Sturm & Klang“ heraus.
Der Titel ist gleichsam Lebensmotto: der Glaube an eine Welt, die gerecht ist und gleiche Chancen für alle bietet. Mal sparsam vor allem mit filigranen Gitarren und perlenden Klavierklängen instrumentiert, dann rockig mit Band umgesetzt, singen die beiden mit ineinander verschlungenen schönen Stimmen von dem, was ihnen wichtig ist. Vom „grundlos Glücklichsein“, das vom rastlosen Drang nach immer mehr Geld und Besitz verdrängt wird, von ewig Gestrigen, die anderen das Leben schwermachen und dem „Großmaul Arnulf“, der gewohnt ist, dass alle vor ihm kuschen. Vom Gefühl der grenzenlosen Freiheit, einfach genau das tun zu können, wonach einem ist, aber auch von Einsamkeit und vom Verlassen werden. Und von der Liebe: „i bin erscht dahoim, wenn i bei dir bin“, der Sehnsucht nach dem Liebsten. Dabei schätzen sie die künstlerische Freiheit, neben Songs im allgäuerischen Idiom singen die beiden auch auf Englisch und Hochdeutsch. Wie in ihrer neuen Single „Schneeflockennacht“, die gerade erschienen ist und den beiden ein großes Publikum beschert hat. Der Song ist nämlich im Intro und Outro des brandneuen Augsburger Puppenkiste Kinofilms „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ zu hören und wird bereits viele Kinder- und Erwachsenenohren verzaubert haben.
Herzlichen Glückwunsch zum Release Eures Songs „Schneeflockennacht“, der derzeit im Kinofilm „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ zu hören ist. Wie fühlt sich das an?
Es ist einfach wunderbar! Bisher hatten wir ja noch gar nie die Chance einen Song für Kino oder Fernsehfilm zu schreiben und dass es dann gleich geklappt hat… Wahnsinn! Als wir die Zusage bekommen haben, sind wir vor Freude wirklich durch die Zimmer gehüpft und konnten unser Glück kaum fassen.
Wie kam es dazu, dass ein Song von Euch für die Augsburger Puppenkiste verwendet wurde? War es eine Auftragsarbeit?
Ja, Fred Steinbach von KIKO Productions hat durch unseren Promoter Gerhard Zimmermann von musicmutepromotion von uns und unserer Musik gehört. Daraufhin hat er uns nach Augsburg eingeladen und uns das Outro gezeigt. Wir kannten die Geschichte, auf welcher der Film basiert, was sehr hilfreich war, und haben daraufhin innerhalb von 3 Tagen den Song geschrieben: einen Winter-Weihnachtssong, Ende Mai, bei ca. 30° C im Schatten.
Habt Ihr früher selbst die Augsburger Puppenkiste geschaut?
Ja klar und mit unseren Kindern waren wir auch schon in der Augsburger Puppenkiste. Die Augsburger Puppenkiste kennt wirklich jeder und ist einfach Kult!
Ihr seid ja inzwischen selbst Mütter je zweier Kinder, haben die den Film schon gesehen? Wie fanden sie ihn und wie finden sie Eure Musik?
Ja, drei von unseren vier Kindern waren bei der Premiere dabei. Ihnen hat der Film total gut gefallen, sie haben mitgefiebert und viel gelacht. Dass wir dann im Anschluss noch unseren Song live spielen durften, fanden sie total cool, und bisher gefällt ihnen unsere Musik. Sie kennen viele Texte auswendig, lernen mittlerweile Klavier und Gitarre und bereiten sich insgeheim schon mal darauf vor, eines Tages Vorband von VIVID CURLS zu sein.
Wenn man Eure Biografie liest und Euch auf Fotos sieht, denkt man unwillkürlich an den Spruch „Freunde sind die Familie, die man sich selbst aussucht“. Ihr seid beide in Wiggensbach im Allgäu aufgewachsen, seht aus wie Schwestern, habt aber erst in den Zwanzigern angefangen, zusammen Musik zu machen. Seid Ihr Euch vorher nie über den Weg gelaufen?
Wir kannten uns schon, allerdings gibt es einen Altersunterschied von drei Jahren, so dass wir früher nicht wirklich Kontakt hatten. Wir wurden aber immer verwechselt, auf der Bank, beim Einkaufen… Auf einem Fußballspiel in Wiggensbach sind wir dann zum ersten Mal ins Gespräch gekommen, bald darauf haben wir angefangen in meiner kleinen Altbauwohnung zu proben. Jedes Wochenende, wenn unsere Freunde auf Partys gegangen sind, saßen wir bei mir im Badezimmer und haben 2. Stimmen geübt… es war wunderbar und wir hätten uns nichts Schöneres vorstellen können. Wir hatten damals den Traum, mit dem VW-Bus durch Europa zu fahren und Straßenmusik zu machen.
Ihr habt vor 15 Jahren als Straßenmusikerinnen begonnen, was hat Euch damals gereizt?
Straßenmusik zu machen ist einfach fantastisch, wir lieben das. Man sucht sich bei gutem Wetter einen schönen Platz und tut das, was man am liebsten macht und bekommt auch noch Geld dafür… nicht wirklich viel vielleicht, aber für ein leckeres Essen hat es immer gereicht. Wir haben einige Zeit wirklich viel auf der Straße gespielt, auch in Österreich, der Schweiz, Italien und Spanien. Was wir da alles erlebt haben! Schade, dass wir heute wirklich kaum noch Zeit dafür haben. Im Sommer 2017 haben wir mal wieder zusammen mit unserer Band Straßenmusik gemacht, da gibt es, glaub ich, sogar ein Video auf YouTube… es war einfach genial.
Ihr habt erst mit englischen (Cover-)Songs angefangen, dann begonnen, Eure Songs im Allgäuer Dialekt zu schreiben und damit aufzutreten. Was bedeutet es Euch, in Mundart zu singen?
Es ist halt unsere Muttersprache und vielleicht sind die Texte dadurch noch intimer. Unser Dialekt klingt auch einfach schön und viele Leute lieben ganz speziell den Allgäuer Dialekt, weil sie damit schöne Assoziationen wie Urlaub, Wandern, Berge etc. haben. Wir schreiben aber auch nach wie vor englische, hochdeutsche oder spanische Texte. Uns gefällt gerade diese Vielfalt.
Wie hat das Publikum darauf reagiert? Es kommt ja nicht so häufig vor, dass in Mundart gesungen wird…
Gut und mittlerweile ist das ja nichts Außergewöhnliches mehr.
„Haben Simon & Garfunkel Töchter im Allgäu?“ fragte die Hohenzollerische Zeitung in einem Artikel über Euch – freut Euch das? Wer waren Eure Vorbilder?
Dieser Artikel hat uns unglaublich gefreut! Wir hatten einige Menschen, Musiker, die uns beeinflusst haben, die Beatles, Simon & Garfunkel, Herbert Grönemeyer aber allen voran natürlich die Frauen: Alanis Morissette, Sheryl Crow, Melissa Etheridge, Jewel… es gibt wirklich großartige Musikerinnen.
Ihr habt in acht Jahren sieben Alben aufgenommen, wie habt Ihr das geschafft? Ihr macht ja alles selbst, Booking, Management, Songs schreiben, und Kinder ziehen sich ja auch nicht von allein groß… Was ist Euer Erfolgsgeheimnis?
Ja, eine Zeit lang waren wir sehr produktiv auf verschiedenen Ebenen. Das war aber auch teilweise sehr anstrengend, gerade als wir die Kinder noch gestillt haben. Da mussten unsere Männer mit und in der Konzertpause haben wir gestillt. Mittlerweile ist es einfacher und die Bereiche sind ganz klar aufgeteilt. Jeder hat seine Aufgaben und es macht einfach viel Freude. Außerdem haben wir gelernt sehr effektiv zu arbeiten und insgesamt schauen wir schon, dass wir nicht zu viel arbeiten. Die Kinder stehen fast immer an erster Stelle, und nur wenn es unseren Familien gut geht, können wir mit gutem Gefühl auf Tour.
Wie entstehen Eure Songs?
Meistens hat man ein Thema, das einen so beschäftigt, dass man ein Lied schreiben muss. Aus Freude, aus Wut, aus Angst, aus Liebeskummer, aus Trauer, aus Lebensfreude oder aus Liebe. In der Regel schreibt jeder für sich und dann treffen wir uns, um an den Liedern zu arbeiten. In der letzten Zeit haben wir aber auch oft zusammen an den Liedern gearbeitet.
Eure Songs enthalten ja häufig Botschaften ans Publikum, über Themen, die Euch unter den Nägeln brennen, wie Eure Eine-Welt-Kampagne. Könnt Ihr uns darüber mal was erzählen?
Wir glauben aus tiefstem Herzen an Gleichheit, Gerechtigkeit, Liebe, Toleranz, Freiheit und Mitgefühl. Wir glauben an die Menschlichkeit und wir glauben, dass es allein in unseren Händen liegt, wie die Welt aussieht in der wir leben. Gemeinsam können wir die Welt verändern und unsere Träume Wirklichkeit werden lassen. Dazu wollen wir die Menschen ermutigen, bei jedem einzelnen Konzert ist dies unsere Botschaft.
In diesem Jahr standet Ihr mit Konstantin Wecker auf der Bühne, Euer Album „Eine Welt“ (2016) ist auf seinem Label „Sturm & Klang“ erschienen. Was hat sich jetzt alles für Euch verändert, haben sich dadurch neue Möglichkeiten ergeben?
Mit Konstantin und seiner genialen Band auf der Bühne zu stehen ist einfach unfassbar und natürlich öffnen sich dadurch auch wieder neue Türen. Wer hätte geglaubt, dass wir eines Tages mit ihm auf einer Bühne stehen und gemeinsam einen Song von uns singen. Wir sind darüber so glücklich und das gibt einem schon wirklich Rückenwind. Wir sind seit einigen Jahren einfach sehr dankbar und sehr zufrieden mit dem was ist. Wir werden sehen, was passiert, und sind gespannt auf das, was kommt.
Wie geht es jetzt weiter bei Euch?
Wir gehen 2018 nochmal ausgiebig auf EINE-WELT-TOUR, der Tourplan ist voll, wir schreiben an neuen Liedern und l(i)eben das Leben.
Tourtermine:
22.02.18 Augsburg, Kresslesmühle
24.02.18 Pfaffenhofen, Fiddler’s Green
09.03.18 Westendorf, Gasthof Schmidbauer „Zur Krone“
10.03.18 Freising, Lindenkeller
16.03.18 Kornwestheim, Casino
17.03.18 Balingen, Kulturbahnhof
29.12.2017