Anni Elif

“Edith“

Zu Fuß musste ich die Sonnensysteme durchqueren, ehe ich den ersten Faden meines roten Kleides fand. Schon ahne ich mich selbst. Irgendwo im Weltraum hängt mein Herz, Funken strömen von ihm aus, erschüttern die Luft, hin zu anderen maßlosen Herzen“, schrieb die finnisch-schwedische Dichterin Edith Södergran (1892-1923), von der es heißt, sie habe die Moderne in die Literatur Schwedens und Finnlands gebracht. Gleichwohl wurde ihr die Anerkennung zu Lebzeiten versagt, zu direkt war ihre Sprache für die damalige Zeit. Sie starb verarmt früh an Tuberkulose. Karin Boye (1900-1941) war ebenfalls ihrer Zeit voraus, ihr Zukunftsroman „Kallocain“ (1940) wird in Literaturlexika als ein „Höhepunkt schwedischer Prosa“ beschrieben. Sie litt als lesbische Künstlerin an Depressionen und beging Selbstmord. Diesen beiden Frauen leiht die schwedische Sängerin, Cellistin und Komponistin Anni Elif auf ihrem ersten Soloalbum „Edith“ ihre Stimme. Und das tut sie eigenwillig und wandelbar, mit einem wunderbar rauen Timbre, irgendwo zwischen Tori Amos und Nina Hagen, eingebettet in einen von Klavier, Synthies, Monotron, Omnichord, Bassgitarre, Singender Säge, Effekten und einem traurigen Saxophon geschaffenen Klangkosmos. Ein Jammer nur, dass wir nicht teilhaben können an dieser so großartigen, bildgewaltigen Sprache, denn die Texte im Booklet sind nur auf Schwedisch abgedruckt. So bleibt uns nur die Wirkung der Musik. Was aber auch nicht das Schlechteste ist.

MELODIVA CD Tipp November 2017

CD, 2017, 10 Tracks, Label: Eclipse Music

Mane Stelzer

20.11.2017