Bedouine

“Bedouine“

Azniv Korkejian alias Bedouine hat eine buchstäblich bewegte Lebensgeschichte zu erzählen – und aus ihren Erfahrungen eins der schönsten Alben dieses Sommers gemacht. Aber von vorn: Die schon früh musizierende Azniv wurde als Tochter armenischer Einwanderer in Aleppo geboren, aus beruflichen Gründen zogen die Eltern häufig um – nach Saudi Arabien, nach einem Green-Card-Lottery-Gewinn in die USA, nach Houston, Boston, Lexington, Austin… kein Wunder, dass sich Azniv das französische Wort für „die Wandernde“ als Künstlerinnenname aussuchte. In Los Angeles schließlich fand Bedouine die kreative Umgebung, nach der sie so lang gesucht hatte, arbeitete bald mit Beck- und Norah-Jones-Producer Gus Seyfferts und Singer-/Songwriter Matthew E. White zusammen. Bedouine’s Musik spiegelt all diese Einflüsse wider, findet aber immer ihren Kern, ihren Ruhepol: Der Opener „Nice And Quiet“ ist durchaus wörtlich zu nehmen, wobei Bedouine souverän die unterschiedlichsten Genres mixt. Ihre Basis ist ein sanfter, melancholischer Americana-Sound, vergleichbar mit Calexico und Marianne Dissard; doch Bedouine’s Songs sind durchlässig: Country, Folk, Chanson und Pop wehen durch die symphonischen, jedoch niemals überladenen Arrangements. Bei aller Ruhe und Konzentration ist das eine Musik, die vom Unterwegssein berichtet, vom Leben ohne schweres Gepäck – stets bereit für einen Wechsel, vom Wüstenzelt bis zur urbanen „Skyline“, wie der letzte Track heißt. Bedouine ist eine selbstbewusste Künstlerin mit ausdrucksstarker Stimme, rauh und zärtlich zugleich – wie eine moderne Daliah Lavi. Songs wie „Back To You“ und vor allem das wunderschöne „Solitary Daughter“ tragen Siebzigerjahre-Feeling in sich, blicken nostalgisch zurück und sehnsüchtig nach vorn; als würde frau in einem alten Pick-Up der Route 66 immer weiter und weiter folgen, bis zum Schild von Santa Monica.

CD, 2017, 10 Tracks, Label: Spacebomb Records

Christina Mohr

27.08.2017