Aktivistin mit Kultur

Interview mit der Rapperin und Feministin Sookee

Sookee, als deutsche Rapperin und politische Aktivistin in Deutschland bekannt, beschäftigt sich schon mehrere Jahre mit den Themen Homophobie und Sexismus im deutschen Hip Hop sowie mit Rassismus in Deutschland. Was Sookee besonders macht ist, dass sie den Sexismus und die fehlende geschlechtliche und sexuelle Diversität innerhalb der HipHop Szene aufgreift – etwas, was sich nicht jede/r traut. Neben ihrem Studium in Linguistik und Gender Studies war Sookee in der Arbeit mit Jugendlichen und in der interkulturellen Bildung und Gewaltprävention aktiv. Ihre neue CD „Mortem & Makeup“ erschien am 17. März 2017 und erreichte Platz 89 der deutschen Albumcharts. In ihren Workshops und Diskussionsrunden über den Rap und die Hip Hop-Kultur sowie über Frauenbewegung und Feminismus kämpft Sookee für soziale Gerechtigkeit.

Sookee, Du bist als Rapperin und politische Aktivistin in Deutschland bekannt und hast Dich schon mehrere Jahre mit den Themen Homophonie und Sexismus im deutschen Hip Hop sowie mit Rassismus in Deutschland beschäftigt. Verstehst Du Dich mehr als Musikerin oder als Aktivistin?

Das greift in meinem Fall schon ganz ineinander: Kein Aktivismus ohne Kultur und kein Output ohne Politik. Ich bin ohnehin nicht so der Typ für Entweder-Oder. Ich mag es, wenn Widersprüche sich in der eigenen Lebenspraxis als machbar erweisen.

Du hast schon an vielen Fraueninitiativen, Kampagnen und Bewegungen teilgenommen. Mit welchen hast Du Dich in letzter Zeit beschäftigt?
Zuletzt ging es in meinen Recherchen und meiner Arbeit natürlich viel um die Ideologien der Neuen Rechten, die Sexismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit usw. zusammendenken. Hierfür hilft ein intersektionaler Blick, der eben darauf achtet, dass die eine Diskriminierung nicht gegen die andere ausgespielt wird.

Du initiierst in letzter Zeit auch viele Workshops bzw. Diskussionen. Geht es dabei eher um politische Themen oder hat es auch mit Musik zu tun? Welchen Bezug haben sie zueinander?
Ich halte Popkultur in all ihren Formen, sei es Rapmusik, Gaming, Serien, Comics, Skateboarding oder meinethalben auch die glossy Welt der Beauty-Tutorials für aussagefähig hinsichtlich politischer Angelegenheiten. Natürlich handelt es sich dort eher um diskurs- und symbolpolitische Statements. Manche sind politisch intendiert, fast alle sind politisch lesbar. Das ist ein gewaltiges Potenzial sich mit Gesellschaft auseinanderzusetzen. Insofern gibt es bei mir eigentlich in jedem kulturellen Kontext einen politischen Querschnitt. Einfach weil ich das Potenzial nutzen mag.

Wie sieht so ein Workshop konkret aus, was willst Du erreichen?
Bei einem klassischen Rap-Workshop wird es neben der politischen Kulturgeschichte von HipHop auch immer um die Frage gehen, wie sieht Gesellschaft die Menschen und wie sehen die Menschen Gesellschaft. Weiterhin werden natürlich allerhand Kreativ- und Schreibtechniken vermittelt. Dass also das Verhältnis von identitätspolitischem Subjekt und Gesellschaft in den entstehenden Tracks thematisiert wird, ist keine Seltenheit. Ob das nun im Rahmen eines Partytracks oder eines Lovesongs passiert, steht auf einem anderen Blatt.

Nach welchen Kriterien entscheidest Du, welche Einladungen zu Diskussionen oder Interviews Du annimmst?
Alles, was nicht sensationalistisch daherkommt, ist für mich von Interesse. Ausgemachte Rechte schließe ich als Gesprächspartner aus. Wenn die AfD auf einem Podium sitzt, setze ich mich nicht dazu. Ansonsten mag ich Gespräche mit Menschen, vor allem um der mitlesenden Dritten Willen.

Du bekommst bestimmt viele Rückmeldungen von Frauen. Wie sehen die aus?
Die zwei häufigsten Rückmeldungen besagen, dass die Person entweder eigentlich mit Rapmusik nichts anfangen kann, aber interessant findet, was ich darüber vermittel. Oder, dass sie HipHop für sich verloren glaubten, und wieder dorthin zurück gefunden haben. Es geht viel um Empowerment und Sichtbarmachung, um Songs, die sich in Biographien niederschlagen. Das ist natürlich eine wirklich große Ehre für mich.

Verstehst Du Dich als Feministin und welche Rolle spielt heute Musik für die Frauenbewegung bzw. motiviert die Frauenbewegung Frauen Musik zu machen?
Ich verstehe mich seit vielen Jahren als Feministin und bin froh, dass sich Feminismus inzwischen wieder sehr vielfältig artikuliert. Ich denke demnach nicht, dass es DIE Frauenbewegung gibt. Sexismus ist für mich auch kein Hauptwiderspruch. Wenn Gesellschaft und die emotionalen Jahresringe zu den entsprechenden Ereignissen in ihr einen musikalischen Ausdruck finden, ist das immer bereichernd. Auch wenn die Kapitalisierung dessen natürlich eine zusätzliche Debatte ausmacht, wie Adorno ergänzen würde.

Spiegeln Deine Lieder eher Erfahrungen, die Du in politischer Frauenarbeit gemacht hast, oder bevorzugst Du es aus deiner eigenen Perspektive als Frau Ideen zu vermitteln?
Das mischt sich. Es gibt Songs die sind zu 100% autobiographisch und solche die fiktiv sind, aber reale Begebenheiten beschreiben. Ich mag das in der Gesamtheit auch gar nicht trennen. Am Ende zieht eh jede*r für sich raus, was er*sie auf das eigene Leben, die eigene Perspektive, die eigenen Erfahrungen anwenden kann.

Kannst Du alle Deine Erfahrungen über Deinen Rap vermitteln?
Es gibt Punkte in der Biographie und Momente im Innenleben, die sich sprachlich nicht vermitteln lassen. Zumindest ich vermag das nicht. Ich denke, dass etwa visuelle Kunst oder Tanz dem Wort da einiges voraus hat. Sprachlosigkeit ist für mich ganz eng mit Verzweiflung verbunden. Unvermittelbarkeit hat etwas von Isolation.

Haben Rapperinnen hauptsächlich wegen der politischen Gleichberechtigungsdiskussion in letzter Zeit auch mehr Raum und Respekt im Hip Hop gewonnen?
Das lässt sich kaum beantworten. Quoten sind im HipHop gar nicht beliebt. Keine Rapperin würde das auf sich sitzen lassen. Zumal im Gegensatz zu personalpolitischen Fragen in einem Unternehmen nicht empirisch und faktenbasiert entschieden wird, wer welches Booking, welchen Vertrag, welche Aufmerksamkeit bekommt. Ich hab kein Problem damit eine Newcomerin zu supporten, auch wenn da noch deutlich Platz nach oben ist hinsichtlich Skills und Selbstsicherheit. Für mich ist Sichtbarkeit auch ganz klar eine Motivationsfrage.

Gibt es heute noch typische „Frauen- bzw. Männermusik“?
Gab es die jemals? Oder sind es nur die Kanones, die uns das glauben lassen?

Inwiefern taugt Rap heute für Frauen als Sprachrohr?
Rap taugt für jede Person als Sprachrohr. Das ist ja das Absurde daran, dass Frauen über die Jahrzehnte der Geschichte von HipHop – und wir sprechen hier von inzwischen bald 50 Jahren – nur als Marginalie, Objekt oder im männlichen Bezugsrahmen verhandelt und gesehen wurden.

Wenn Du neue Texte schreibst, versuchst Du Deine Zuhörer_innen eher politisch oder persönlich anzusprechen? Wünschst Du Dir eher, dass Deine Zuhörer_innen sich durch Deine Texte persönlich weiterentwickeln oder eher, dass sie anfangen politisch nachzudenken und aktiv zu werden?
Wie ließe sich das trennen? Menschliche Größe führt im besten Falle zu politischer Awareness. Politisches Bewusstsein kann auch menschlich sensibilisieren. Es gibt vor allem ältere Tracks, die überwiegend theorielastig und begriffsschwer sind. Einige sind auch recht introspektiv und assoziativ geschrieben. Momentan bemühe ich mich eher um narrative Texte, die die Köpfe über das Herz erreichen.

Welches Deiner Lieder findest Du am meisten mit dem feministischen Geist verbunden? Und welches Lied ist am politischsten?
Mein feministischster Song ist vermutlich „Frauen mit Sternchen“, weil er von einer guten Balance aus Individualität und Kollektivität erzählt, Solidarität und unterschiedlichste Lebensentwürfe benennt. „Zusammenhänge“ ist ein Rundumschlag auf rechte Ideologien. Ein ziemlich dichter, sehr offensichtlich antifaschistischer Song.

Du wünschst Dir generell mehr Solidarität und Empathie zwischen den Menschen. Wie kann, deiner Meinung nach, auch eine Frau auf der Bühne Solidarität und Empathie gewinnen bzw. mit der Diskriminierung umgehen?
Rückendeckung, Selbstvertrauen und immer im Hinterkopf behalten, dass Hate und Angriffe meistens keine persönliche, sondern eine strukturelle Angelegenheit sind. Es sprechen Diskurse miteinander. Das ist ja genau der Grund, warum wir politische Musik machen.

CD „Mortem & Makeup“ (Label: Buback Tonträger, VÖ: 17.03.2017)

Tourtermine:
31.10.2017 Nürnberg, Desi
01.11.2017 Freiburg, Jazzhaus
02.11.2017 Zürich (CH), Dynamo
03.11.2017 Bern (CH), Frauenraum
04.11.2017 Reutlingen, franz.K
09.11.2017 Göttingen, Musa
10.11.2017 Marburg, KFZ
11.11.2017 Düsseldorf, Zakk
23.11.2017 Leipzig, Conne Island

Autorin: Zweti

http://sookee.net

25.09.2017