Weyes Blood

“Front Row Seat To Earth“

Nicht wenige Fans beklagen das Fehlen jeglicher Stör- und Irritationselemente auf „Front Row Seat To Earth“, dem neuen Album von Natalie Mering alias Weyes Blood: Mit ihren Erstlingswerken „The Outside Room“ und „The Innocents“ definierte die kalifornische Singer-/Songwriterin amerikanischen Folk ganz neu, positionierte ihre Musik in der Nähe von Goth und Sechziger-Jahre-Psychedelik im Geiste Vashti Bunyans. Da Weyes Blood mit dem freakigen Ariel Pink befreundet ist und vor ihrer Sololaufbahn Bassistin der Band Jackie-O-Motherfuckers war, schien klar, dass von ihr auch künftig avantgardistisch-Abseitiges zu hören sein würde. Weit gefehlt, denn auf ihrer dritten Platte „Front Row Seat To Earth“ herrscht der reinste Wohlklang: Die neun makellos ausgefeilten, klassisch arrangierten Balladen bewegen sich zwar nach wie vor auf der dunklen Seite des Pops. Aber Weyes Blood hat alle kratzigen, schabenden, pieksenden Geräusche entfernt, ihre klare, starke Stimme wird umrahmt von Harfen, Klavier und Geigen – wobei sich die Instrumente vornehm im Hintergrund halten. Songs wie „Do You Need My Love“ oder „Be Free“ zeugen von Weyes Blood’s ehrerbietigen Kompositionskünsten, ganz zart mischen sich Country und Americana hinein, die Stimmung ist nachdenklich, aber auch erhaben und elegant. In „Generation Why“ sinniert sie über die Einsamkeit junger Leute im Smartphone-Zeitalter, wie überhaupt das Alleinsein, das Nicht-Dazugehören zentrale Themen dieses Albums sind. Bei „Used To Be“ stellt man sich eher Rufus Wainwright statt Ariel Pink als möglichen Duettpartner vor – frau mag es bedauern, dass Weyes Blood ihre „ernsthafte“ Seite so stark betont. Oder einfach in diesen melancholischen, wunderschönen Stücken schwelgen und sich im Winter an ihnen wärmen.

CD, 2016, 9 Tracks, Label: Mexican Summer

Christina Mohr

10.11.2016