Nadine Maria Schmidt & Frühmorgens am Meer

“Ich bin der Regen – Lieder aus Gedichten“

Sie wollte mal Urlaub machen von ihren eigenen Themen, darum hat die Singer-/Songwriterin Nadine Maria Schmidt aus Leipzig auf ihrem neusten Album 15 Gedichte vertont. Ihre Vorgehensweise war intuitiv: sie nahm sich Gedichtbände von berühmten Autorinnen von Rilke bis Droste-Hülshoff, tippte blinden Auges auf eine Seite und vertonte das ausgewählte Gedicht, ohne es vorher gelesen zu haben. So machte sie die Worte der Anderen zu ihren eigenen. Es sind vornehmlich dunkle, melancholische Lieder, die daraus entstanden sind, eindrücklich wie „Der Panther“, aber auch Unbeschwertes und unbändige Frühlingslieder. Die wortgewaltigen Sätze, die sie mit warmer Altstimme interpretiert, zeugen vom Zerbrechen und von Abschied, aber auch von unstillbarer Sehnsucht und hoffnungsvoller Erwartung. Starke Lyrik von Frauen ist auch darunter: das titelgebende Gedicht „Ich bin der Regen“ und „Ich möchte leben“ wurden von Selma Meerbaum-Eisinger geschrieben, die 18jährig in einem Arbeitslager an Fleckfieber starb. Auch Sophie Scholl’s „Letzter Brief“ ist darunter, und Else Lasker-Schüler’s Gedicht „Mein blaues Klavier“, das die Verrohung der Welt durch die Nationalsozialisten thematisiert. Ein Bonustrack stammt von Schmidt selbst; „Aluna“ nimmt die Perspektive eines Kindes ein, deren Mutter geflüchtet ist. Unterstützt wird die Sängerin und Gitarristin von ihrer Band Frühmorgens am Meer, die sie mit Klavier (Till Kratschmer) und Bass (Chris Turrak) begleiten; musikalische Gäste spielten Schlagzeug, Cello, Klarinette, Akkordeon, Hackbrett, Udu und Posaune. „Ich bin der Regen“ ist beeindruckende Poesie eindrücklich in Szene gesetzt.

MELODIVA CD Tipp Juni 2016

CD, 2016, 16 Tracks, Label: BSC Music

Mane Stelzer

19.06.2016